Medien Konrad Lischka ist Journalist, arbeitet seit April 2007 als Redakteur bei Spiegel Online, war von 2004 bis 2007 Redaktionsleiter, später Chefredakteur des Literaturmagazins bücher und hat als Textchef bei der VVA-Gruppe gearbeitet. Er hat eineAusbildung zum Redakteur an der Deutschen Journalistenschule absolviert, war Mitarbeiter der Süddeutschen Zeitung und Frankfurter Rundschau (Feuilleton), hat für Medien wie c't und die Neue Zürcher Zeitung über IT-Themen geschrieben, für die taz aus Bayern berichtet und ein Buch über die Geschichte des Computerspiels im Heise-Verlag veröffentlicht. http://www.klischka.de/joomla/artikel/medien Sat, 25 Jul 2009 01:19:27 +0000 Joomla! 1.5 - Open Source Content Management en-gb Medienkrise: Murdoch plant angeblich das Bezahl-Web (Spiegel Online, 7.5.2009) http://www.klischka.de/joomla/artikel/medien/794-medienkrise-murdoch-plant-angeblich-das-bezahl-web-spiegel-online-752009 http://www.klischka.de/joomla/artikel/medien/794-medienkrise-murdoch-plant-angeblich-das-bezahl-web-spiegel-online-752009 Medienkrise

Murdoch plant angeblich das Bezahl-Web

Medienzar Rupert Murdoch deutet wieder mal einen Strategiewandel an: Das Kostenlos-Internet funktioniere nicht, Medienfirmen müssten sich ein neues Geschäftsmodell fürs Web ausdenken. Gerüchten zufolge lässt Murdoch eine Bezahl-Plattform entwickeln.

Spiegel Online, 7.5.2009

Schlechte Geschäftszahlen und markige Worte von Medientycoon Rupert Murdoch. Bei einer Telefonkonferenz zur Vorstellung der aktuellen Quartalsergebnisse seiner Firma News Corporation ("Times", "Wall Street Journal", Fox News, HarperCollins) erklärte der 78-Jährige laut CNN, er erwarte, dass die Web-Angebote seiner Printmedien binnen eines Jahres kostenpflichtig werden.

Vorher hatte Murdoch erklären müssen, dass der Quartalsgewinn einmal wieder drastisch (um 47 Prozent auf 755 Millionen Dollar) gefallen ist. In der Zeitungs- und Fernsehsparte sanken die Betriebsgewinne um 99 und 97 Prozent. Murdoch drosch in der Fragerunde vor allem auf die Kostenlos-Kultur im Web ein: "Das gegenwärtige Geschäftmodell im Web funktioniert nicht."

Mit derart griffigen Sprüchen, die Medienzar Rupert Murdoch in den vergangenen zwei Jahren zu Journalismus-Geschäftsmodellen abgegeben hat, könnte man ein kleines Büchlein füllen. Vergleicht man drei dieser markanten Prognosen, fällt auf, wie gern Murdoch seine Meinung ändert:

  • Mitte 2007 plante Murdoch die Übernahme des "Wall Street Journals" und spekulierte laut und öffentlich über ein Ende der Papierausgabe: "Wie wäre es", fragt er rhetorisch, "wenn man eine Redaktion der Spitzenklasse zusammenkaufte, und das 'Journal' dann nur im Netz und völlig kostenlos anböte? Keine Druckereien, kein Papier, keine Lastwagen. Wie lange würde es dauern, bis die Werbung kommt? Es wäre jedenfalls erfolgreich, es würde funktionieren und man würde … ein kleines bisschen Geld verdienen."
  • Im August 2007 - Murdochs Firma hatte gerade das "Wall Street Journal" übernommen - erzählte der Neu-Eigentümer Analysten, dass seine Manager ein Ende des Abo-Modells der Web-Seite WJS.com prüfen.
  • Anfang 2008 erklärte der Medienzar dann beim Weltwirtschaftsforum in Davos, das "Wall Street Journal" werde online doch nicht gratis - man plane eine Mischung: "Wir werden die kostenlosen Angebote des 'Wall Street Journals' im Web ausbauen und verbessern. Aber es wird ein starkes Angebot für Abonnenten geben."

Bislang funktioniert Murdoch Vorzeige-Web-Seite WSJ.com in diesem Mischmodus: Niemand weiß so genau, welche Artikel nun tatsächlich Geld kosten: Die bei Google News zu findenden Artikel sind fast immer kostenlos zu haben, die Gratis-Software des "Wall Street Journals" fürs iPhone liefert ebenfalls alle Texte kostenlos.

Ansonsten sind die Web-Seiten von Murdochs großen Zeitungen wie "Times" und "Sun" komplett gratis zugänglich, seine Firma auch an dem US-Kostenlos-Web-Fernsehen Hulu.com beteiligt. Eine Strategie kann man da bisweilen nicht wirklich erkennen, es sei denn man will dieses pragmatische Mischmasch als solches sehen: Inhalte für ein breites Publikum bieten Murdochs Medien werbefinanziert und gratis an, Fachinhalte für zahlungskräftige Firmenkunden (WSJ.com) kosten, aber auch das nicht immer.

Nimmt man Murdochs markige Sprüche diesmal beim Nennwert, bereitet er nun aber wirklich die große Rundum-Web-Revolution vor. CNN zitiert ihn so: "Derzeit läuft eine epochale Debatte über den Wert von Inhalten und es ist vielen Zeitungen klar, dass das gegenwärtige Geschäftmodell nicht funktioniert." Sein Unternehmen sei bei dieser Debatte an "vorderster Front" aktiv und man könnte sicher sein, dass Murdochs Firma "ganz vorne dabei ist, einen Weg zu gehen, der die Einnahmen maximiert". Die Prognose des Tycoons: "Das Internet wie wir es heute kennen, ist bald vorbei."

Das klingt ein wenig größenwahnsinnig. Gemeint hat Murdoch womöglich seinen Schrebergarten im Web - laut einem Beitrag von Ex-Newsweek-Reporter Stryker McGuire auf thedailybeast.com lässt Murdoch ein Team in New York, London und Sydney Pläne für Bezahlmodelle im Web erarbeiten. Laut McGuires anonymen Quellen gehe es bei den Modellen auch um Hardware, die Inhalte "benutzerfreundlich" aufbereitet. Welche Geräte damit gemeint sein könnten, lässt McGuire offen.

Bei der Bilanzpressekonferenz zumindest verkündete Murdoch stolz, 360.000 Menschen hätte bislang die kostenlose iPhone-Anwendung des "Wall Street Journals" heruntergeladen. Der WSJ.com-Artikel zu Murdochs neuen Sprüchen ist auf dem iPhone ebenfalls gratis zu lesen. Titel: "Get ready to Pay for Our Stuff Online."

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[email protected] (Konrad Lischka) Medien Fri, 08 May 2009 08:15:19 +0000
Medienkrise: Das versteckte Digital-Abo (Spiegel Online, 2.3.2009) http://www.klischka.de/joomla/artikel/medien/765-medienkrise-das-versteckte-digital-abo http://www.klischka.de/joomla/artikel/medien/765-medienkrise-das-versteckte-digital-abo Medienkrise

Das versteckte Digital-Abo

Neue Bezahlstrategie: Weil kaum jemand für Downloads zahlt, wollen Musiklabels ihre Gebühren in Hardware-Preisen verstecken - Handys mit Musik-Flatrate zum Beispiel. Das könnte ein Modell für Medienhäuser sein. Der US-Verlag Hearst arbeitet an einem eigenen Lesegerät.

Spiegel Online, 2.3.2009

Wenn das Bild vom Griff nach dem Strohhalm passt, dann hier. Seit Jahresbeginn kommen vom US-Medienkonzern Hearst fast im Wochentakt katastrophale Nachrichten: 60 Tage habe der "Seattle Post-Intelligencer" noch zu leben, hieß es Mitte Januar. 50 Millionen US-Dollar Verlust habe 2008 allein die Regionalzeitung "The San Francisco Chronicle" gemacht - man werde sie bald verkaufen oder schließen. Nun greift Hearst laut "Fortune" nach diesem Strohhalm: In diesem Jahr werde das Verlagshaus ("Cosmopolitan", "Marie Claire", "Harper's Bazaar", "Esquire") ein selbst entwickeltes digitales Lesegerät als Alternative zum Print-Abo anbieten.

Ein paar Details zum Kindle-Konkurrenten: Das Gerät soll einen deutlich größeren Bildschirm als Amazons Lesegerät Kindle haben, Inhalte aber auch nur schwarzweiß darstellen, über eine drahtlose Verbindung Inhalte aus dem Internet saugen (unklar ist, ob nur per W-Lan oder auch via Mobilfunk) und offen für Inhalte anderer Verlage sein. "Fortune" zitiert Hearst-Manager Kenneth Bronfin: "Wir erwarten, dass diese Geräte einen großen Teil unserer Zukunft ausmachen."

Was soll er auch anderes sagen? Bronfins Unternehmen steht wie alle großen Verlagshäuser vor einem ähnlichen Problem wie die Musikindustrie seit einem Jahrzehnt - und dummerweise kommen bei Verlagen noch ein paar ganz erhebliche Probleme dazu.

Kaum jemand will für Digitales zahlen

Die Menschen sind kaum bereit, für die online verfügbaren Inhalte zu bezahlen. Zumindest nicht in einem Maß wie in Zeiten, als die Inhalte noch auf materiellen Trägern vertrieben wurden: Im Musikgeschäft gleichen die steigenden Einnahmen aus bezahlten Downloads die Umsatzverluste insgesamt nicht aus. Die Menschen hören nicht weniger Musik, sie bezahlen insgesamt nur nicht mehr so viel wie früher dafür.

Abgesehen von Anbietern digitaler Abos für Wirtschaftsinformationen (die meistens Unternehmen, nicht Privatkunden bezahlen) leiden Verlage unter demselben Problem wie die Musikindustrie. Das "Wall Street Journal" zitiert aus einem internen Hearst-Mitarbeiterbrief diese Analyse: "Wir haben kein Reichweiten-, sondern ein Umsatz- und Geschäftsmodellproblem." Die Reichweite von Print- und Online-Medien zusammenwachse, während die Umsätze schrumpfen.

Das liegt natürlich auch daran, dass die Anzeigeneinnahmen gerade massiv einbrechen. Das trifft Verlage wie Hearst umso schmerzhafter, weil zeitgleich auch die Abo-Erlöse sinken.

Da stehen Musikindustrie und Verlage vor derselben Frage: Wie kann man Menschen dazu bewegen, für die immer stärker genutzten digitalen Inhalte zu bezahlen? Die Antwort kann man so formulieren: Man gibt den Inhalten ein neues materielles Vertriebsmedium und versucht, die Abo-Gebühren zu verstecken.

Das erste derartige Produkt im Musikgeschäft verkauft Nokia seit Ende vorigen Jahres in Großbritannien: Wer dort das Nokia-Handy 5800 Xpressmusic kauft, bekommt eine Musik-Flatrate dazu: "Comes With Music" (CWM) heißt das Angebot. Ein Jahr lang nach Kauf des Mobiltelefons darf man kostenlos DRM-geschützte Songs herunterladen, auf dem Mobiltelefon und einem Computer abspielen.

Musiklabels verstecken die Abo-Gebühren

Die Abo-Gebühren fürs erste Jahr sind im Gerätepreis versteckt - Nokia reicht einen Teil der Einnahmen an die beteiligten Musiklabels weiter. In Schweden bietet Sony Ericsson mit Mobilfunkanbietern einen ähnlichen Dienst unter dem Namen PlayNow Plus an: Die 1000 beliebtesten Songs sind auf dem Telefon vorinstalliert, je nach Mobilfunkanbieter kann man beliebig viele weitere Songs sechs oder zwölf Monate lang DRM-geschützt laden.

Ob diese Versuche Erfolg haben, ist noch nicht ausgemacht. Aber das ist derzeit die einzige innovative und die erste einigermaßen aussichtsreiche Idee für ein neues Vertriebsmodell seit langem. Anbieter bündeln digitale Inhalte, die Menschen nicht bezahlen wollen, mit Geräten und Dienstleistungen, für die sie zahlen: Hardware, Mobilfunkverträge, Internet-Zugang.

Hearst will dieses Konzept offenbar für den Printjournalismus adaptieren. Wenn Menschen nicht für digitale Inhalte im Netz bezahlen, dann vielleicht für ein Trägermedium, mit denen sie diese Texte unterwegs lesen können? Amazon bietet mit dem Kindle bereits solch ein Lesegerät: Es kostet 360 US-Dollar - ohne Inhalte, ohne Abo. Die Herstellungskosten sind nicht bekannt, Amazons Gewinnspanne auch nicht.

Abo-Einnahmen decken nicht einmal Druck und Vertrieb

Aber für Verlage könnte es sich durchaus rechnen, jedem Abonnenten, der eine Tagezeitung oder sogar ein Wochenmagazin für ein, zwei Jahre abonniert, ein Lesegerät zu schenken. Heute schon decken die Abo-Einnahmen bei den meisten Häusern nicht einmal die Druck- und Vertriebskosten. Konkret heißt es dazu in einem Hearst-Rundschreiben, aus dem das "Wall Street Journal" zitiert: "Derzeit lassen wir uns von Print-Abonnenten nur einen Teil der Kosten für das Bedrucken von Papier und den Vertrieb bezahlen."

Wie viel günstiger es sein könnte, Lesegeräte einfach zu verschenken und die Abos digital zu vertreiben, hat im Februar der "Silicon Alley Insider" am Beispiel der "New York Times" durchgerechnet: Der Papiervertrieb koste demnach die "Times" 644 Millionen US-Dollar im Jahr, allen Abonnenten einen Kindle zu schenken, sei halb so teuer.

Diese Rechnung hat nur einen gewaltigen Haken: Man weiß nicht, wie viel das Trägermedium Papier den Menschen wert ist.

 

  • Wie viele Abonnenten würden das Angebot Digital-Abo mit kostenlosem Lesegerät annehmen?
  • Wie viele Kunden würden ihr Abonnement kündigen, sollte ein Medium den Vertrieb auf Papier tatsächlich einstellen und durch digitalen Vertrieb ersetzen?
  • Welchen Anteil der Abo-Auflage müsste man für die Papierliebhaber beibehalten?

Das Beispiel Hearst zeigt, in was für einer gewaltigen Klemme manche General-Interest Verlage stecken: Sie können die enormen Fixkosten des Papiervertriebs nicht einfach aufgeben, weil damit ein wesentliches Geschäftsmodell verlorengeht. Als SPIEGEL ONLINE die Leser fragte ob sie ein Digital-Abo mit einem Lesegerät als Dreingabe bezahlen würden, antworteten die meisten (40 Prozent): "Nein, ich liebe Zeitungspapier."

Je nach Verlagsbilanz dürfte in der Anzeigenkrise der Papiervertrieb als Mühlstein oder Rettungsanker wirken.

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[email protected] (Administrator) Medien Sat, 07 Mar 2009 13:04:16 +0000
Zukunft der Medien: Eine Welt ohne Presse (Spiegel Online, 20.2.2009) http://www.klischka.de/joomla/artikel/medien/759-zukunft-der-medien-eine-welt-ohne-presse http://www.klischka.de/joomla/artikel/medien/759-zukunft-der-medien-eine-welt-ohne-presse Zukunft der Medien

Eine Welt ohne Presse

Zeitschriften sterben, US-Zeitungshäuser beerdigen Regionalblätter - und die Zielgruppe lässt das völlig kalt. Viele Leser halten das Modell Presse für überholt. Aber wie würde eine Welt ohne Journalismus klassischer Prägung aussehen? Ein Szenario.

Spiegel Online, 20.2.2009

An dem Tag, als der Verlag Condé Nast sein deutsches Prestige-Magazin "Vanity Fair" einstellte, waren die Aktien der "New York Times" auf einem neuen Tiefstand. Ein Anteilsschein der renommiertesten Tageszeitung der Welt kostete am Mittwoch 13 Cents weniger als die Sonntagsausgabe des Blatts, die für vier US-Dollar verkauft wird. Die Anzeigeneinnahmen brechen weg, die Presse ist in einer Krise, die in den USA existenzbedrohende Ausmaße angenommen hat.

Der Tenor vieler Leserbriefe und -kommentare zu diesen Meldungen: Na und?

Wie schlecht das Ansehen der Presse ist, illustriert dieser Satz aus einer Leser-E-Mail zum Artikel " Zeitung als Shareware?": "Jetzt kommt die Quittung. Alles Alte verschwindet. Tageszeitungen gehören dazu wie fossile Autos. Einfach weg."

Bemerkenswert bei diesen Kommentaren ist, dass die Ablehnung sich nicht gegen spezielle Produkte oder Vertriebsformen richtet. Die leidige Print-Online-Debatte ist für die Leser gar nicht relevant - sie halten die traditionellen Medien insgesamt für überholt. Abfällig äußern sich Leser über "Mammutverlage", Produkte, die "halt für die Massen produziert" werden und Medienmacher, die sie für "abgehoben und arrogant" halten.

Einmal angenommen, es käme so. Einmal angenommen, die Massenpresse würde einfach verschwinden - wie könnte der Alltag in so einer Gesellschaft aussehen? Drei Gedanken zur Welt ohne Massenpresse.

1. Nur Massenpresse schafft Öffentlichkeitsdruck

Fangen wir ganz klein an, in Essen Kray-Leithe zum Beispiel: Da regen sich die Anwohner einer Busendhaltestelle seit Jahren darüber auf, dass die Busse dort mit laufendem Motor vor Wohnhäusern parken, während die Fahrer Pause machen. 1993 empfahl der Petitionsausschuss des Landtags, die Haltestelle zu verlegen. Die Bezirksvertretung der Stadt hat das seitdem immer wieder mit wechselnden Argumenten abgelehnt.

Wie mache ich der Stadtverwaltung Druck?

Es gibt sicher zigtausend solcher Fälle in deutschen Gemeinden: Eine Straße, ein Haus, vielleicht auch nur eine Familie ist unmittelbar betroffen, das Druckpotential daher recht klein im Vergleich zu Fällen, die weit mehr Menschen unmittelbar angehen (Autobahnbau, Umgehungsstraße usw.).

Also machen die Krayer, was Betroffene in solchen Fällen fast immer machen: Sie schreiben der Lokalzeitung und die macht eine Aufregergeschichte daraus. Der Mechanismus ist so alt wie die Massenmedien: Ein Aufreger erzählt exemplarisch die Geschichte der ignoranten Bürokraten, die auf die Meinung von ein paar Bürgern wenig geben. Das ärgert dann alle Leser und schafft eine mittelbare Betroffenheit.

Diese Methode funktioniert oft recht gut. Selbst wenn die Leser gar nicht aktiv werden, glauben die kritisierten Behörden, Unternehmen oder Institutionen, es nun mit einer kritischen Masse aufgeregter Bürger zu tun zu haben, auch wenn sie das nur mediatisiert als einen Artikel in einem Online-Medium, einer Zeitung oder einem Magazin wahrnehmen. Der oft bemühte Druck der Öffentlichkeit ist letztlich vermittelt - direkten Kontakt haben die betroffenen Instutionen oder Unternehmen nur mit Medienvertretern.

Die Methode Leserbrief

Man muss als Betroffener also gar nicht viele Menschen dazu bringen, aktiv etwas zu tun - die Wahrnehmung, dass da draußen nun eine kritische Masse ist, reicht oft als Druckmittel. Bei der Endhaltestelle in Kray-Leithe zum Beispiel sagten dann auch gleich die von der Regionalzeitung angefragten Lokalpolitiker, es "dürfe nicht am Geld scheitern", die "Linie zu verlegen".

Im Web hört man nur die aktiv Protestierenden

Was könnte den Mechanismus Öffentlichkeitsdruck ersetzen, wenn die Massenpresse als Vermittler fehlt? Es gibt einige interessante Ansätze, Bürger übers Netz auch für kleine, lokale Belange zu aktivieren. In Großbritannien zum Beispiel versucht eine Stiftung, über das Portal "MySociety" Bürgern eine Handhabe bei kleinen, lokalen Problemen zu geben. Unter Fixmystreet.com können Betroffene Ärgernisse wie Schlaglöcher oder defekte Laternen melden, Kontaktmöglichkeiten für die verantwortlichen Behörden einstellen und dokumentieren, wer sich schon beschwert hat.

Solche Projekte setzen drei Dinge voraus, damit die verantwortlichen Behörden eine kritische Masse wahrnehmen: Die Bürger müssen die Seite kennen, auf der sie ihren Protest kundtun. Sie müssen dazu idealerweise alle dasselbe Forum verwenden. Und sie müssen aktiv ihre Meinung äußern.

Bleibt nur das Problem, dass Nutzer ein Angebot wie Fixmystreet nur aufrufen, wenn sie selbst ein akutes Anliegen haben und dann auch nur in ihrer unmittelbaren Nachbarschaft nach Mitstreitern und anderen Ärgernissen suchen. Die Öffentlichkeit ist hier per Definition zersplittert. Das hier jemand aus einem anderen Stadtteil das Busproblem in Kray-Leithe bemerkt und sich über die Bürokratie ärgert, ist wenig wahrscheinlich.

Bei einem Artikel in der - lokalen - Massenpresse genügt die Veröffentlichung an sich, um bei Politikern und Verwaltungsangestellten den Eindruck einer informierten, kritischen Öffentlichkeit herzustellen. Das kann sich natürlich ändern, wenn einmal ein Online-Forum für organisierten Protest groß und bekannt genug ist, um auch der Lokalpolitik ein Begriff zu sein. Vielleicht genügt dann eine Veröffentlichung dort, um Politiker nervös werden zu lassen.

Fazit: Wenn Mittler wie MySociety so etwas wie Massenmedien werden, könnten sie eine ähnliche Kontrollfunktion erfüllen wie die Massenpresse heute. Nur würde gerade das ihrem extrem lokalen und individualisierten Prinzip widersprechen.

2. Medienmacher definieren, welche Fakten relevant sind

Der Streit um die von Facebook geänderten Nutzungsbedingungen zeigt, wie im Netz eine relevante Information öffentlich wird. Die Änderung der AGB kündigte Facebook-Anwältin Suzie White schon am 4. Februar im Firmenblog an. Dass aber bei diesem Prozess ein entscheidender Absatz aus dem Rechtstext verschwand und Facebook sich so die Rechte an den Daten seiner Mitglieder für alle Ewigkeit sicherte, bemerkte erstmal niemand. Das änderte sich am 15. Februar, als US-Verbraucherschützer in ihrem Blog Consumerist darüber berichteten - Titel: "Wir können mit euren Daten machen, was wir wollen. Für immer."

Wir brauchen einen Grundkonsens, was relevant ist

Dieser Blogeintrag landete auf der Titelseite der Community-News-Plattform Digg, ein Blog des "Wall Street Journal" griff ihn auf und am Montag stand die Geschichte in allen relevanten Online-Medien und die erstes Mitglieder der Protestgruppe auf Facebook schrieben ihre wütenden Kommentare.

Der Fall zeigt: Eine frei verfügbare Information wird nicht zwangsläufig zu einer Nachricht. Sie kann auch tagelang im Netz stehen, bis jemand den Nachrichtenwert erkennt, formuliert, die Relevanz des Ganzen einschätzt - wie der Consumerist im Fall von Facebook. Dasselbe Prinzip kann man auch im Lokalen, bei Auslandsthemen und in allen Ressorts beobachten. Hier kommt eine Schwierigkeit hinzu: Es gibt nicht auf jedem Gebiet und in jeder Region der Welt Organisationen mit eigenen Blogs wie den Consumerist.

Blogs funktionieren nach dem Schema Massenpresse

Dass die Nachricht vom Consumerist von dort aus dann so schnell die Runde gemacht hat, hängt sicher damit zusammen, dass viele Blogger, Journalisten und bloggende Journalisten den Consumerist lesen. Das Blog hat im Durchschnitt eine halbe Million Besucher täglich, dazu kommen mit Sicherheit eine Menge nicht ausgewiesene Leser, die das Blog per RSS-Feed verfolgen, aber nie die Seite aufrufen.

Das bedeutet: Consumerist hat mehr Leser als manche überregionale deutsche Tageszeitung Abonnenten und funktioniert somit online nicht anders als ein Massenmedium. Dass ein Unterschied zwischen manchen Blogs und Online-Massenmedien kaum trennscharf zu definieren ist, debattieren derzeit viele Autoren im Web.

Fast alle Durchlauferhitzer und Multiplikatoren der vom Consumerist bearbeiteten Facebook-Nachricht funktionieren nach dem Schema Massenpresse: Egal ob "Wall Street Journal" oder SPIEGEL ONLINE - hier veröffentlichen wenige Autoren für viele, anonyme, unbestimmte, sozial und geografisch verstreute Leser. Nur die Community-News-Plattform Digg funktioniert ein wenig anders, allerdings hat sie bei der Facebook-Meldung lediglich vorhandenes Material weiterverwendet und zudem bei der Verbreitung keine herausragende Rolle gespielt.

Fazit: Der Grundkonsens, was relevant ist, entsteht heute im Web im Prinzip nach dem alten Massenpresse-Prinzip. Es gibt keinen Mechanismus, der die Relevanz frei verfügbarer Informationen erkennt - das übernehmen Menschen. Und sie finden Gehör, wenn sie sich in einem Medium vor einem leidlich großen, unbestimmten Publikum äußern. Ohne Massenpresse hätte so schnell niemand die Brisanz der Facebook-AGB erkannt oder von der umstrittenen Entfernung einer israelischen Fahne bei einer Demonstration in Duisburg erfahren, über die zuerst das von Journalisten betriebene Blog Ruhrbarone schrieb.

3. Veranstaltungen und Vereine sind kein Thema für die Presse mehr

In den siebziger Jahren entstanden in vielen deutschen Großstädten Stadtmagazine, weil die Presse vor Ort einfach nicht über das berichtete, was viele Menschen unter 30 interessierte: die sogenannte Alternativkultur. Das meiste davon ist heute Mainstream, nur muss heute kaum jemand Stadtmagazine lesen, um zu wissen, welche Konzerte, Partys und Lesungen wann und wo stattfinden.

Seit Jahren schickt so gut wie jeder Club zielgruppengenau per E-Mail sein Programm an alle Interessierten. Musikcommunitys empfehlen Mitgliedern passend zum Musikgeschmack Konzerte, listen auf, was die eigenen Freunde interessiert und wer wohin geht. Bei solchen Informationen sind Soziale Netzwerke wie LastFM, Facebook und sogar StudiVZ den traditionellen Medien weit überlegen - man interessiert sich ja nur für einen kleinen Anteil all der Dinge, die in der eigenen Stadt passieren. Höchstwahrscheinlich für jenen kleinen Anteil, der auch die eigenen Kollegen begeistert. Den Wettbewerb auf diesem Terrain könne auch die engagiertesten Lokalzeitungsredaktionen nicht gewinnen. Ihre Stärke ist nicht die Veröffentlichung kompletter Veranstaltungslisten oder gar die zielgenaue Empfehlungen für einzelne Leser, sondern eine überraschende Auswahl und ein streitbares Urteil.

Genauso ist es im Grunde genommen auch mit den Vereinsnachrichten, die viele Lokalzeitungen füllen. Ein zynischer Journalistenwitz erzählt, dass man einmal im Jahr nur mindestens ein Foto jedes Vereinmitglieds abdrucken müsse, um eine Lokalzeitung zu verkaufen - die Leser würden abonnieren, um das eigene Foto nicht zu verpassen. Solche Inhalte waren eigentlich immer schon user generated content - kein Wunder, dass Web-Plattformen wie Meinverein dieses Prinzip heute ohne Druck- und Personalkosten für Journalisten monetarisieren wollen.

Einen Schritt weiter gehen gedruckte Gratismedien wie die in einigen Gemeinden Nordrhein-Westfalens verbreiteten "Informer"-Magazine: Die Anzeigenblätter fordern Vereine, Geschäftsleute, Politiker, und Bürger auf, die Seite einfach selbst online mit Fotos und Texten zu füllen - " Open magazine, ein modernes Medium im klassischen Gewand" heißt das Konzept.

Fazit: Zur Verbreitung von Veranstaltungshinweisen, Vereinsnachrichten und Verlautbarungen gibt es bessere Kanäle als die traditionellen Medien. Was immer weniger Menschen unmittelbar und kaum jemanden mittelbar betrifft oder interessiert, ist in einem Medium für ein großes und heterogenes Publikum fehl am Platz.

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[email protected] (Administrator) Medien Mon, 23 Feb 2009 11:45:28 +0000
Umstrittene Digitalisierung: BBC bastelt am Online-Medienimperium (Spiegel Online, 2.10.2007) http://www.klischka.de/joomla/artikel/medien/491-umstrittene-digitalisierung-bbc-bastelt-am-online-medienimperium http://www.klischka.de/joomla/artikel/medien/491-umstrittene-digitalisierung-bbc-bastelt-am-online-medienimperium Umstrittene Digitalisierung

BBC bastelt am Online-Medienimperium

Eine der größten Online-Redaktionen der Welt, der größte Hörbuch- und der drittgrößte Zeitschriftenverlag Großbritanniens - das genügt der BBC nicht. Der öffentlich-rechtliche Riese will weiter wachsen, am liebsten im Netz und auf Kosten der privaten Konkurrenz.

Spiegel Online, 2.10.2007

Kostenloser Versand bei allen Weinbestellungen! Hausratversicherung - Sparen Sie 30 Prozent! So tönen die Anzeigen auf der Webseite der größten britischen Kochzeitschrift. "Good Food" ist ein beliebter Werbeträger - fast 340.000 Leser kaufen das Heft monatlich - und höchstwahrscheinlich ein profitabler. Etwaige Gewinne streicht der Konzern BBC Worldwide ein, die kommerzielle Tochter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Großbritannien. Jahresgewinn zuletzt: umgerechnet fast 160 Millionen Euro. Umsatz einschließlich der Beteiligungen an Joint Ventures: fast 1,2 Milliarden Euro. Und die Firma expandiert kräftig. Für angeblich 100 Millionen Euro kauft BBC Worldwide den Reiseverlag Lonely Planet.

Das Ziel: Wachstum, vor allem im "digitalen Bereich", wie BBC Worldwide in einer Stellungnahme schreibt. Da hat Lonely Planet tatsächlich Potential. Die Reiseführer haben eine starke, identitätsstiftende Marke, die Individualtouristen anspricht. Ansätze, darauf eine Online-Community von Alternativurlaubern aufzubauen, gibt es schon. Auf Lonelyplanet.tv stellen Globetrotter Videoschnipsel ihrer Touren ein, auf Lonelyplanet.com tauschen sie Tipps, Listen, Reisgeschichten und Fotos aus.

Hoffnung auf Geld und Publikum im Netz

Der Grund für die Online-Offensive: BBC Worldwide will Geld verdienen. Frei übersetzt heißt das Motto auf der Firmenseite: "Die Welt unterhalten, um die BBC zu finanzieren." Bei der kommerziellen Auswertung von BBC-Sendungen und -Marken soll sie möglichst viel Profit rausschlagen. Oder umgekehrt: Medienangebote übernehmen, die Geld bringen und irgendwie zum BBC-Programm passen - wie Lonely Planet zu den legendären BBC-Reportagen und -Dokumentationen.

Online-Videos und Mitmach-Netz? Hier ist BBC Worldwide noch schwach, muss sich dringend Publikums- und Geldbringer einverleiben. Die Sparte "Digital Media" hat den kleinsten Umsatz der sechs Geschäftsbereiche, im vorigen Geschäftsjahr nahm sie umgerechnet nur knapp 20 Millionen Euro ein und fuhr einen Verlust von umgerechnet etwa 5,7 Millionen Euro ein.

Das sind strategische Investitionen. BBC Worldwide hat eine eigene Version des iPlayers der BBC programmiert: Diese Software bringt BBC-Fernsehprogramme übers Netz auf Computer - in Großbritannien ist der Dienst kostenlos, BBC Worldwide will aber für die Sendungen Geld von internationalen Kunden verlangen. Bis dahin macht BBC Worldwide die Marke BBC bekannt im Netz. "Wir müssen da angeln, wo die Fische sind", sagte Simon Danker, Chef für Digitale Medien bei BBC Worldwide dem SPIEGEL dazu im März. Da hatte sein Konzern gerade einen Mega-Deal mit dem Web-Videoportal YouTube abgeschlossen.

BBC presst die Kommerztochter aus

Von ihrer Kommerztochter erwartet die BBC finanziell viel: In den kommenden fünf Jahren soll das Unternehmen die Gewinne verdoppeln. Die Ausschüttungen von BBC Worldwide sollen 2012 ein Zehntel des BBC-Etats decken, so die Pläne von BBC-Boss Mark Thompson. Der Rest des BBC-Etats kommt aus Fernsehgebühren, umgerechnet 198 Euro muss man als Besitzer eines Farbfernsehers in Großbritannien jährlich an Zwangsgebühren zahlen.

Umsatzbringer: So verdient die Kommerz-BBC
Sparte  Umsatz*
umgerechnet in Mio. Euro
Gewinn*
umgerechnet in Mio. Euro    
Geschäftsfelder
Global Channels 242,5
29,9
weltweit ausgestrahle BBC-Sender mit Werbeblöcken
Global TV Sales
310,4 57,7 Verkauf von BBC-Produktionen an andere Sender
Content & Production 75,9
13,63 Auftragsproduktionen, Vermarktung, Co-Finanzierung
 Magazines 245,8 28,7
Zeitschriftenverlag (Lebenshilfe, Jugend, Ratgeber, Populärwissenschaft
Home Entertainment
268,2
35
Verkauf von DVDs, Hörbüchern, Musik
Digital Media
19,9
-5,6
Video-On-Demand, Internet-Fernsehen, Mobil-TV, Web-Gemeinschaften
Gesamt
1200
160
 
 * Beteiligungen anteilig gerechnet / Quelle: Bericht für das Geschäftsjahr 2006/2007 von BBC Worldwide

Weil die Gebühren bis 2012 aber langsamer steigen sollen als die Inflation, so die Gebührenentscheidung der Regierung Anfang des Jahres, sucht die BBC nach neuen Erlösen im Netz, im Internet-Fernsehen und im Pay-TV-Bereich. Dem Rundfunkriesen fehlen wegen der angeblich knauserigen Gebührenentscheidung bis 2012 umgerechnet 2,8 Milliarden Euro – man hatte einfach mehr Gebühren eingeplant.

Startvorteil: 750.000 Stunden Filmmaterial

Britische Verleger und Anbieter von Web-Inhalten ärgern Expansionspläne von BBC und BBC Worldwide immer wieder. Ihre Argumentation: Die hier vermarkteten Inhalte sind zum Teil auch aus Zwangsgebühren finanziert worden. Ein Wettbewerbsvorteil gegenüber allen privaten Unternehmern. Konkret: BBC Worldwide kann 750.000 Stunden Ton- und Filmaufnahmen der BBC nutzen und vermarkten.

Jedes Jahr kommen 30.000 Stunden dazu: Soaps, Fernsehfilme, Dokumentationen, Nachrichten, Serien. Und Marken: Viele der großen Magazine des BBC-Zeitschriftenverlags sind aus BBC-Fernsehsendungen entstanden, profitieren kostenlos von deren Reichweite und Image. Die Marken sollen nun nicht nur Magazine, sondern auch Web-Gemeinschaften befeuern: Im August hat BBC Worldwide einen entsprechenden Vertrag mit dem Community-Bauer Liveworld unterschrieben.

Wettbewerber wie Zeitungsverlage und private Community-Betreiber werfen BBC und BBC Worldwide unfairen, marktverzerrenden Wettbewerb vor. Die Kritik gibt John Smith, Geschäftsführer von BBC Worldwide, weiter: Den Auftrag habe seine Firma von der britischen Regierung, die müsse man kritisieren. Smith erklärte im März der "Financial Times": "Je nach Stimmungslage machen wir gute Geschäfte, was die Wettbewerber nicht mögen, oder wir machen schlechte Geschäfte, was die Konkurrenten lieben und die Politiker hassen."

Gebühreneinnahmen als Wettbewerbsvorteil

Und so expandiert BBC Worldwide im festen Glauben an den Auftrag von ganz oben emsig im Web. Zu den populärsten britischen Webseiten gehört neben Google und eBay das Online-Angebot der BBC. Die Nutzerzahlen steigen kräftig, locker 16 Millionen individuelle Nutzer im Monat lockt das Angebot derzeit – eines der erfolgreichsten und teuersten weltweit. Ähnlich beliebte Nachrichtenseiten von einem Verlagshaus existieren in Großbritannien nicht.

Aus dieser Online-Dominanz kann BBC Worldwide prächtig Gewinn schlagen: Auf der internationalen Seite "bbc.com" könnte es irgendwann Online-Werbung geben, wie man sie heute schon auf den Webangeboten der BBC-Zeitschriften findet. Die gebührenfinanzierten Inhalte der BBC-Journalisten sind ein unschlagbarer Wettbewerbsvorteil.

Brutalo-Vermarktung schadet dem BBC-Image

Auf YouTube hat BBC Worldwide schon begonnen, BBC-Material zu verwerten. Seit März stellt die Firma Inhalte auf Googles Web-Video-Plattform ein. Ob jetzt schon Geld fließt und falls ja, in welche Richtung – unbekannt. Die BBC lässt sich aber alle Optionen offen: Werbefinanzierung bei YouTube, paralleler Verkauf der bei der Videoplattform beworbenen Inhalte über den BBC-iPlayer und natürlich noch den DVD-Verkauf.

Mittelfristig ist die Vermarktung des seriösen BBC-Images ein gutes Geschäft. Doch langfristig könnte dieses brutale Auspressen dem Ansehen der BBC schaden. Roger Gale, früher BBC-Reporter und heute konservativer Abgeordneter im britischen Unterhaus, sagte dem US-Magazin "Newsweek", die BBC sei eine besondere Marke, man müsse sie vor übereifrigen Vermarktern schützen: "Das ist wie mit der königlichen Familie. Die Queen könnte viele Schokoriegel verkaufen, aber sie würde das nicht tun."

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[email protected] (Administrator) Medien Thu, 04 Oct 2007 22:22:02 +0000
Web-Strategie: "Financial Times" rüstet gegen Kostenlos-Konkurrenz (Spiegel Online, 1.10.2007) http://www.klischka.de/joomla/artikel/medien/490-web-strategie-financial-times-ruestet-gegen-kostenlos-konkurrenz http://www.klischka.de/joomla/artikel/medien/490-web-strategie-financial-times-ruestet-gegen-kostenlos-konkurrenz Verwirrung um Web-Strategie

"Financial Times" rüstet gegen Kostenlos-Konkurrenz

Chaos-Kommunikation: Die "Financial Times" kündigt Gratis-Artikel auf "FT.com" an. Doch was kostenlos sein wird und was bisher kostenlos ist, kann der Verlag selbst nicht erklären. Mit dem Schritt wollen sich die Briten gegen entsprechende Pläne des Konkurrenten "Wall Street Journal" rüsten.

Spiegel Online, 1.10.2007

Diese Nachricht hat die britische "Financial Times" exklusiv - und präsentiert sie kostenlos auf ihrer Website "FT.com": Von Mitte Oktober an soll es auf der Webseite mehr kostenlose Artikel geben. Leser müssen sich kostenlos registrieren, können dann eingeloggt auch eigentlich kostenpflichtige Artikel ansehen - 30 Mal pro Monat. Bislang gab es die nur im Online-Abo. 120 Euro kostet das zum Beispiel für deutsche Nutzer jährlich. Wie das neue Angebot genau funktionieren wird, konnte die FT-Pressestelle auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE bislang aber nicht beantworten. Welche Artikel von Mitte Oktober an kostenpflichtig sind, wie hoch der Anteil am Gesamtangebot ist - unklar. Die Pressemitteilung und die Aussagen des FT-Herausgebers Ien Cheng sind in zwei Richtungen interpretierbar: Das komplette FT-Angebot ist ab Mitte Oktober kostenpflichtig, 30 Artikel können kostenlos abgerufen werden. Oder: Die 30 Freiabrufe betreffen nur heute ohnehin kostenpflichtige Beiträge.

Nur: Was kostet auf "FT.com" heute überhaupt Geld? Immer wieder stößt man beim Browsen auf eine Bezahlschranke, eine Systematik ist aber von außen nicht zu erkennen. Aber auch bei der FT herrscht Verwirrung darüber, welche Artikel gegenwärtig Geld kosten. Sprecherin Jo Crosby: "Wirtschaftsnachrichten sind kostenpflichtig."

Chaos-Kommunikation zum Kostenlos-Start

So stimmt das aber nicht: Ohne Login kann man auf den FT-Seiten auch einige ältere Wirtschaftsartikel frei lesen. Die meisten aktuellen Beiträge sind ohnehin kostenlos. Von den zehn meistgelesenen Artikel des Tages sind heute nur drei Abonnenten vorbehalten. Darauf hingewiesen, kündigt die Pressestelle weitere Recherchen an.

Fest steht: 101.000 Online-Abonnenten zahlen laut "FT.com" weltweit für Sonderdienste. Dazu gehören neben dem Zugang zu allen Artikel auf "FT.com" auch Datenbanken mit Börsendaten, Unternehmens-Profile mit Detail-Informationen, das Fünf-Jahres-Archiv und Werkzeuge zur Nachrichtensuche. Umgerechnet 10 bis 13 Millionen Euro soll "FT.com" laut "Guardian" jährlich an Abogebühren einnehmen.

Ein Angebot für eine spezielle, kleine Zielgruppe also. Das sehen die Manager von "FT.com" offenbar genauso. Herausgeber Ien Cheng erklärt im eigenen Blatt, der Wechsel könnte einer Mehrheit der Leser entgegenkommen, die über Links von außerhalb auf die Seite kommen, aber nicht viel mehr als 30 kostenpflichtige Artikel im Monat suchen. Cheng: "Die Zahl 30 ist nicht zufällig, wir haben genau untersucht, wie Leser auf die Seite kommen."

Zaghafter Versuch, neue Leser zu finden

Die Hoffnung, mit einem offenen Angebot mehr Reichweite zu erzielen und neue Leser anzulocken, hat Mitte September schon die "New York Times" dazu bewogen, ihr Webangebot von Bezahlschranken zu befreien (mehr...). "Nytimes.com"-Geschäftsführerin Vivian Schiller argumentierte im eigenen Blatt wie Cheng: "Wir haben nicht das rasante Wachstum der von Google, Yahoo und einigen anderen kommenden Besuchern erwartet."

Der Vergleich mit der "New York Times" zeigt allerdings, wie halbherzig der Befreiungsversuch der "Financial Times" tatsächlich ist. Die "New York Times" hat fast ihr gesamtes Archiv kostenlos online verfügbar gemacht. Die Rechnung: mehr Google-Treffer, mehr Leser, mehr Anzeigen-Umsatz. Ein zweistelliges Wachstum der Anzeigenumsätze erhofft sich das Unternehmen von den Millionen neuer Artikel, die jetzt von Suchmaschinen wie Google erfasst werden.

Eine ähnliche Rechnung hat schon der neue Besitzer des "Wall Street Journal", Rupert Murdoch, aufgemacht, als er mehrmals öffentlich von einem allein werbefinanzierten Online-Angebot des Blatts schwärmte (mehr...) (siehe Kasten unten).

VORTEILE DER GRATISSEITE: DIE RECHNUNG AM BEISPIEL "WSJ.COM"

Sonderfall "WSJ.com"
Die Internetseite des US-Wirtschaftsblatts "Wall Street Journal" ist das letzte komplett kostenpflichtige Web-Angebot einer US-Zeitung. Im August bestätigte Neu-Eigentümer Murdoch in einem Analystengespräch, dass seine Manager bereits ein Ende des Abo-Modells bei "WSJ.com" prüfen. Das wäre wäre ein gewaltiger Schritt für die Branche - "WSJ.com" hat immerhin fast eine Million zahlender Leser gewonnen, bei einem Jahres-Abo-Preis von 79 Dollar

Abo-Erlöse bislang
Douglas Anmuth, Analyst für Internet und Medien bei der US-Investmentbank Lehman Brothers, schätzt in einem Bericht, dass sich die Einnahmen von "WSJ.com" in diesem Jahr so verteilen: 65 Millionen Dollar Abo-Erlöse, 75 Million Dollar Werbegelder.

Wertvolle Anzeigenplätze
Eine aufgerufene Seite bringt beim komplett kostenpflichtigen "WSJ.com" viermal so viel Werbegelder wie bei der weitgehend kostenfreien - und beliebten - Konkurrenz von "Nytimes.com". Sprich: Die zahlenden Kunden bei "WSJ.com" sind Werbetreibenden mehr wert als die vielen, nicht so attraktiven Online-Leser der "New York Times." Deshalb darf man die heutigen Werbeeinnahmen von "WSJ.com" pro Seitenaufruf nicht einfach linear für eine wachsende Leserschaft hochrechnen - denn die neuen Leser werden Werbekunden wahrscheinlich nicht so viel wert sein wie die heutigen.

Das nötige Wachstum
Analyst Douglas Anmuth sagt beim "Wall Street Journal" für die erste Zeit nach einer etwaigen Umstellung einen Umsatzeinbruch voraus: "Die Einnahmen werden deutlich sinken." Mittelfristig müsse "WSJ.com" kräftig neue Leser dazugewinnen, um erfolgreich zu bleiben. Denn durch die Umstellung dürften die Anzeigenplätze an Wert verlieren. Aber auf lange Sicht ist Anmuth optimistisch: Die Nutzerzahl werde wachsen, die Werbeeinnahmen dürften steigen. Vor allem, weil die Seite ihre heutigen Leser nicht durch den Wechsel des Geschäftsmodells verlieren wird.  

Die "Financial Times" hingegen hält ihr Archiv weiterhin verschlossen. Offenbar glaubt man, die Inhalte würden an Wert verlieren, wenn sie mehr Verbreitung finden. Herausgeber Chen beschreibt den Kompromiss in der Druckausgabe der "Financial Times" so: "Wir haben immer geglaubt, dass der Journalismus, den wir machen, unserer Kernleserschaft etwas wert ist." Mit dem neuen Online-Modell könne man an diesem Prinzip festhalten und gleichzeitig mehr Aufmerksamkeit im Netz einheimsen.

Online-Werbung wächst viel schneller als Abozahlen

Die Kernleserschaft von 101.000 Online-Abonnenten ist allerdings klein im Vergleich zu den offiziellen Nutzungsdaten von "FT.com": 6,5 Millionen Besucher im Monat. Zum Hintergrund: Wer mehrere Seiten hintereinander abruft, gilt als ein Benutzer, wenn er nach einiger Zeit wiederkommt, wird er erneut als Nutzer gezählt.

Nun wachsen auf "FT.com" die Abonnentenzahlen nicht mehr dramatisch, die Anzeigenumsätze allerdings schon. Um 40 Prozent seien die Einnahmen in den vergangenen Monaten gestiegen, sagte Herausgeber Cheng dem "International Herald Tribune".

30 Artikel als Strategie gegen Kostenlos-"WSJ.com"

Nun ist "WSJ.com" der Hauptkonkurrent von "FT.com". 40 Prozent der FT-Online-Leser kommen aus den Vereinigten Staaten, 30 Prozent aus Großbritannien und 30 Prozent aus dem Rest der Welt. Wenn nun das "Wall Street Journal" sein bislang kostenpflichtiges Angebot komplett frei gibt, dürfte das die "Financial Times" viel Online-Reichweite, womöglich einige US-Web-Abonnenten und letztlich auch Werbeeinnahmen kosten.
30 kostenlose Artikel als Abwehrstrategie gegen diese mögliche Konkurrenz wirken dürftig. Aber die "Financial Times" glaubt weiter an Bezahl-Inhalte im Netz: "FT.com" will man ausbauen, um neue Videoformate, Blogs und umfassendere Marktinformationen ergänzen. "Financial Times"-Geschäftsführer John Ridding glaubt, dass viele "'FT.com'-Leser von diesen Veränderungen und der Qualität unserer Angebote angelockt und zu regelmäßigen Lesern und Abonnenten werden".

Kostenlose Artikel als Abo-Werbung für aufwendige, exklusive Online-Inhalte und Archivmaterial – so ähnlich hatte die "New York Times" 2005 ihr Web-Abo "Timesselect" angepriesen. 227.000 zahlende Abonnenten warb "Nytimes.com" so an. Zu wenig – vor zwei Wochen ist "Timesselect" verschwunden.

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[email protected] (Administrator) Medien Thu, 04 Oct 2007 22:19:58 +0000
Strategiewechsel: New York Times macht Web-Archiv kostenlos (Spiegel Online, 18.9.2007) http://www.klischka.de/joomla/artikel/medien/483-strategiewechsel-new-york-times-macht-web-archiv-kostenlos-spiegel-online-1892007 http://www.klischka.de/joomla/artikel/medien/483-strategiewechsel-new-york-times-macht-web-archiv-kostenlos-spiegel-online-1892007 Strategiewechsel

New York Times macht Web-Archiv kostenlos

Sämtliche Artikel aus 92 Archiv-Jahrgängen und alle Kolumnen der Edelfedern bietet die "New York Times" von morgen an kostenlos im Netz. Vom Gratisangebot erhofft sich das Management mehr Google-Treffer, neue Leser - und ein zweistelliges Wachstum der Werbeumsätze.

Spiegel Online, 18.9.2007

Es war ein langsamer Tod: Timesselect, das Online-Bezahl-Angebot der "New York Times" siechte zuletzt dahin. Den grellen Orangeton, der die Exklusiv-Artikel markierte, sahen Leser kaum noch auf Nytimes.com. Die entsprechenden Online-Abos verschenkte man seit Monaten an jeden Interessenten mit einer E-Mail-Adresse von einer US-Universität. Morgen verschwindet Timesselect endgültig - genau zwei Jahre nach dem Start des Angebots. Das Ende des Online-Abos habe man seit Monaten geplant und verschiedene Geschäftsmodelle durchgespielt, erklärte die Nytimes.com-Geschäftsführerin Vivian Schiller dem Fachmagazin Paidcontent. Von morgen an bietet Nytimes.com diese Inhalte kostenlos an:

  • Beiträge von 23 prominenten Kolumnisten
  • alle Inhalte des "New York Times"-Archivs von 1986 bis heute
  • Archiv-Material der "New York Times" von 1851 bis 1922
  • Such- und Archiv-Werkzeuge wie den "News Tracker" und das persönliche Times-Archiv

Kostenpflichtig bleiben nur die originalgetreue Digital-Ausgabe der gedruckten Zeitung in einem besonderen Software-Format (14,95 Dollar monatlich), die Online-Version des Kreuzworträtsels und Archiv-Inhalte aus der der Zeit zwischen 1922 und 1986.

Nur zehn Millionen Dollar Abo-Einnahmen jährlich

Den Schritt zum Gratisangebot begründet das Management mit dem Potential eines komplett freien Angebots auf höhere Werbeumsätze. Geschäftsführerin Schiller erklärt im eigenen Blatt: "Unsere Prognosen für das Umsatzwachstums auf Basis des Abo-Modells waren geringer im Vergleich zum Wachstum durch Online-Werbung." Sie betont, Timesselect sei ein Erfolg gewesen.

In einer internen Mail an die Mitarbeiter heißt es, sie könnten "sehr stolz auf ihre Leistung sein". Offiziell beziffert das Management die Timesselect-Einnahmen auf zehn Millionen Dollar jährlich. "Es hat funktioniert, das ist wirklich wichtig", betont Schiller in Interviews. Nun veröffentlichte Abo-Zahlen für Timesselect sollen das belegen:

  • 471.200 Print-Abonnenten erhielten den Timesselect-Zugang kostenlos als Beigabe
  • 89.200 Universitäts-Angehörige erhielten das Abo kostenlos
  • 227.000 Web-Abonnenten zahlten tatsächlich für Timesselcet (49,95 Dollar jährlich/7,95 monatlich)

 Medien-Experten sind von diesen Zahlen beeindruckt, bezweifeln aber den wirtschaftlichen Erfolg. Wie viel Geld man für die Vermarktung der Abo-Angebote und die zusätzlichen für Timesselect produzierten Beiträge ausgegeben hat, bleibe unerwähnt, kritisiert Jeff Jarvis, Medien-Reporter und Leiter des Journalistenschule der City University of New York, in seinem Fach-Blog. Er zollt Timesselect allerdings Respekt für den gewonnen Abonnenten-Stamm: "Sie haben wahrscheinlich den größtmöglichen Kreis an zahlenden Kunden gewonnen – dennoch war das von Anfang an eine schlechte Idee."

Ähnlich hatte schon Anfang 2006 Alan Rusbridger, Chefredakteur der britischen Tageszeitung "Guardian", gegen das Timesselct-Modell argumentiert. Bei einer Rede vor der "Royal Society for the Encouragement of Arts" sagte er damals, die Abo-Einnahmen würden nicht einmal die Gasrechnung der "NYT"-Zentrale decken können.

Mehr Aufmerksamkeit, mehr Anzeigenerlöse

Das soll nun der Gratis-Auftritt ändern. Die Argumentation des Nytimes.com-Managements: Archiv-Material ohne Bezahlschranke wird verlinkt, bringt gute Google-Treffer, lockt so neue Leser. Ähnlich hatte sich im August der Neu-Eigentümer des "Wall Street Journals" Rupert Murdoch geäußert. Er soll ein Ende des Bezahl-Modells bei WSJ.com planen.

VORTEILE DER GRATISSEITE: DIE RECHNUNG AM BEISPIEL "WSJ.COM"

Sonderfall "WSJ.com"
Die Internetseite des US-Wirtschaftsblatts "Wall Street Journal" ist das letzte komplett kostenpflichtige Web-Angebot einer US-Zeitung. Im August bestätigte Neu-Eigentümer Murdoch in einem Analystengespräch, dass seine Manager bereits ein Ende des Abo-Modells bei "WSJ.com" prüfen. Das wäre wäre ein gewaltiger Schritt für die Branche - "WSJ.com" hat immerhin fast eine Million zahlender Leser gewonnen, bei einem Jahres-Abo-Preis von 79 Dollar

Abo-Erlöse bislang
Douglas Anmuth, Analyst für Internet und Medien bei der US-Investmentbank Lehman Brothers, schätzt in einem Bericht, dass sich die Einnahmen von "WSJ.com" in diesem Jahr so verteilen: 65 Millionen Dollar Abo-Erlöse, 75 Million Dollar Werbegelder.

Wertvolle Anzeigenplätze
Eine aufgerufene Seite bringt beim komplett kostenpflichtigen "WSJ.com" viermal so viel Werbegelder wie bei der weitgehend kostenfreien - und beliebten - Konkurrenz von "Nytimes.com". Sprich: Die zahlenden Kunden bei "WSJ.com" sind Werbetreibenden mehr wert als die vielen, nicht so attraktiven Online-Leser der "New York Times." Deshalb darf man die heutigen Werbeeinnahmen von "WSJ.com" pro Seitenaufruf nicht einfach linear für eine wachsende Leserschaft hochrechnen - denn die neuen Leser werden Werbekunden wahrscheinlich nicht so viel wert sein wie die heutigen.

Das nötige Wachstum
Analyst Douglas Anmuth sagt beim "Wall Street Journal" für die erste Zeit nach einer etwaigen Umstellung einen Umsatzeinbruch voraus: "Die Einnahmen werden deutlich sinken." Mittelfristig müsse "WSJ.com" kräftig neue Leser dazugewinnen, um erfolgreich zu bleiben. Denn durch die Umstellung dürften die Anzeigenplätze an Wert verlieren. Aber auf lange Sicht ist Anmuth optimistisch: Die Nutzerzahl werde wachsen, die Werbeeinnahmen dürften steigen. Vor allem, weil die Seite ihre heutigen Leser nicht durch den Wechsel des Geschäftsmodells verlieren wird.  

In den vergangen zwei Jahren habe sich das Web verändert, argumentiert Nytimes.com-Geschäftsfürherin Schiller im eigenen Blatt: "Wir haben nicht das rasante Wachstum der von Google, Yahoo und einigen anderen kommenden Besuchern erwartet." Inzwischen würde die Mehrheit der Leser über Links kommen, nur eine Minderheit nutze Nytimes.com als Primärquelle.

Kostenlos-Archiv soll Anzeigenwachstum bringen

Vor diesem Hintergrund gewinnt der Entschluss, fast das gesamte Archiv kostenlos online verfügbar zu mache, an Bedeutung. Hiervon verspricht sich die Times einen Popularitätsschub. Die Rechnung: mehr Google-Treffer, mehr Leser, mehr Anzeigen-Umsätze. Gegenüber dem Branchendienst Paidcontent wird Geschäftsführerin Schiller deutlicher: "Denken Sie über diese Formel nach: Millionen neuer Dokumente, alle für Suchmaschinen optimiert, zweistelliges Wachstum der Anzeigenumsätze."

Expertise für Suchmaschinen-Optimierung hat sich der Times-Konzern vor zwei Jahren eingekauft: Damals übernahm Nytimes.com für 410 Millionen Dollar das Webangebot About.com, eine Mischung aus Netzlexikon und Ratgeberportal. About.com war immer schon kostenlos, beliebt und für gute Trefferplätze bei Google-Suchen optimiert – so Medien-Reporter Jeff Jarvis, der bis zum vorigen Dezember als Berater für das Angebot gearbeitet hat. Er nennt About.com heute eine "großartige Demonstration der wirtschaftlichen Kraft von Suchmaschinenoptimierung".

In der Tat kommen 95 Prozent der Einnahmen von About.com heute aus Anzeigen. So soll das Verhältnis in Zukunft auch beim Webauftritt der "New York Times" aussehen.

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[email protected] (Administrator) Medien Sat, 22 Sep 2007 10:03:39 +0000
Wall Street Journal: Murdoch plant kostenlose Netz-Ausgabe (Spiegel Online, 9.8.2007) http://www.klischka.de/joomla/artikel/medien/466-wall-street-journal-murdoch-plant-kostenlose-netz-ausgabe http://www.klischka.de/joomla/artikel/medien/466-wall-street-journal-murdoch-plant-kostenlose-netz-ausgabe Wall Street Journal

Murdoch plant kostenlose Netz-Ausgabe

Medienzar Rupert Murdoch deutet zum ersten Mal nach der Übernahme der renommierten Wirtschaftszeitung einen Strategiewechsel an: Man prüfe, WSJ.com komplett kostenfrei zu machen. Damit steht die letzte - hochprofitable - Bezahl-Seite einer Zeitung vor dem Aus.

Spiegel Online, 9.8.2007

Rupert Murdoch will auf 65 Millionen Dollar verzichten. So viel Geld soll die Online-Ausgabe seiner neu erworbenen Wirtschaftszeitung "Wall Street Journal" in diesem Jahr laut Analysten-Berichten über Abo-Gebühren kassieren. WSJ.com ist das letzte kostenpflichtige Web-Angebot einer US-Zeitung. Jetzt bestätigte Neu-Eigentümer Murdoch in einem Analysten-Gespräch, dass seine Manager bereits ein Ende des Abo-Modells bei WJS.com prüfen. Schon vor dem Kauf hatte er offen und laut über diesen Schritt nachgedacht.

Das Ende des Bezahl-Modells bei WSJ.com wäre ein gewaltiger Schritt für die Branche - das Angebot hat immerhin fast eine Million zahlender Leser gewonnen, bei einem Jahresabo-Preis von 79 Dollar.
Die Rechnung der Medien-Manager ist einfach: Im ersten Schrift fallen die Abo-Einnahmen weg. Aber das kostenfreie Angebot lockt neue Nutzer an und sobald das Publikum kräftig genug gewachsen ist, dürften die Werbeerlöse die Abo-Verluste nicht nur wettmachen, sondern auch weit übertreffen.

Davon dass diese Rechnung aufgeht, gehen viele Branchen-Insider aus. Jeff Jarvis, Medien-Reporter und Leiter des Journalistenschule der City University of New York, schreibt in einem Fach-Blog: "Kostenlos bedeutet groß, und für das Wall Street Journal sollte es kein kleineres Ziel geben als das, die größte und beste Marke für Wirtschaftsjournalismus zu sein."

Das Ziel: mehr Leser, höhere Werbeeinnahmen

Sogar eine Redakteurin des "Wall Street Journal", die Technologie-Kolumnistin Kara Swisher erklärt öffentlich, dass sie eine Öffnung von WSJ.com für eine gute Idee hält. Höhere Werbeeinnahmen durch kostenlose Inhalte, das würde in ihren Ohren vernünftig klingen, denn: "Nach einer gewissen Zeit ist es bei der Marktmacht von News Corp. wahrscheinlich, dass WSJ.com seine Besucherzahlen auf das Dreifache oder mehr steigert."

Tatsächlich gehören zu Murdochs Medienkonzern News Corp. neben Fernsehsendern wie Fox News auch einige Publikumsmagnete im Netz - Myspace.com zum Beispiel. Kostenlose Inhalte steigern die Werbeeinnahmen - ganz so einfach ist die Rechnung aber nicht.

Douglas Anmuth, Analyst für Internet und Medien bei der US-Investmentbank Lehman Brothers, schätzt in einem Bericht ( PDF-Dokument), dass sich die Einnahmen von WSJ.com in diesem Jahr so verteilen: 65 Millionen Dollar Aboerlöse, 75 Million Dollar Werbegelder. Anmuths Prognose für die erste Zeit nach einer etwaigen Umstellung: "Die Einnahmen werden deutlich sinken."

WJS.com-Leser sind online die wertvollsten

Hinzu kommt ein wesentlicher Punkt: Eine aufgerufene Seite bringt bei WSJ.com viermal so viel Werbegelder wie bei der weitgehend kostenfreien – und beliebten – Konkurrenz von Nytimes.com. Sprich: Die zahlenden Kunden bei WSJ.com sind Werbetreibenden mehr wert als die vielen, nicht so attraktiven Online-Leser der "New York Times." Analyst Anmuth führt aus: "Das beweist den Wert von WSJ.com und wird ein wesentlicher Punkt sein, den News Corp. beim möglichen Wechsel zu einem Werbe-Modell bedenken muss." Die Öffnung dürfte die attraktive Zielgruppe verwässern.

Deshalb darf man die heutigen Werbeeinnahmen von WSJ.com pro Seitenaufruf nicht einfach linear für eine wachsende Leserschaft hochrechnen - denn die neuen Leser werden Werbekunden wahrscheinlich nicht so viel wert sein wie die heutigen. WSJ.com wird also kräftig neue Leser gewinnen müssen, um erfolgreich zu bleiben. Aber auf lange Sicht ist Anmuth optimistisch: die Nutzerzahl werde wachsen, die Werbeeinnahmen dürften steigen. Vor allem, weil die Seite ihre heutigen Leser nicht durch den Wechsel des Geschäftsmodells verlieren wird.

Warum sollte ein Abonnent WSJ.com aus seinen Bookmarks entfernen, wenn das Angebot so gut bleibt wie es heute ist, aber nichts mehr kostet? Kolumnistin Swisher ist sich sicher: "Diese Leserschaft würde bleiben." Aber bei einem kostenfreien Angebot würden viele Leser hinzukommen, die heute "weniger exzellente, aber ausreichende Informationen von einer Menge andere Wirtschaftsseiten bekommen".

Mehr Web-Relevanz für das "Wall Street Journal"

Derzeit hat WSJ.com im Monat etwa 1,5 Millionen Leser, so die Zahlen des Statistik-Dienstes Compete.com. 6,8 Millionen waren es im Juni beim weitgehend kostenfrei zugänglichen Webangebot der "New York Times" – mehr als das Dreifache.

Sobald die Bezahl-Mauern eingerissen sind, dürfte die Relevanz des "Wall Street Journal" im Netz steigen. Die Artikel werden heute selten in Blogs verlinkt. Warum auch – die meisten Leser können sie ja doch nicht aufrufen. Analyst Anmuth gibt sich in seinem Bericht sicher, dass die zunehmende Verlinken dem kostenfreien WSJ.com neue Leser bringen und zudem "die Relevanz in Suchmaschinen-Ergebnissen steigern" wird.

Ob Rupert Murdoch derselben Meinung ist? Entscheidungen sind aber nicht bekannt. Murdoch bisherigen Äußerungen geben aber eine klare Richtung vor: kostenfrei, werbefinanziert und reichweitenstark. Dazu passt, dass seit Monaten immer wieder Gerüchte kursieren, die "New York Times" würde bald den letzten Rest ihre Online-Abo-Angebots kostenfrei machen. Noch sind die Artikel der prominentesten Times-Kolumnisten im Web kostenpflichtig, Teil eines Online-Abos namens "Timesselect". Dessen Ende meldete zuletzt sehr hartnäckig "New York Post". "Timesselect" sei am Ende, schrieb das Blatt unter Berufung auf anonyme Quellen erst im Juli, dann wieder an diesem Montag. Die Ironie der Geschichte: Der Eigentümer der "New York Post" ist Rupert Murdoch.
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[email protected] (Administrator) Medien Fri, 17 Aug 2007 17:57:58 +0000
Feuer und Eis (Frankfurter Rundschau, 23.10.2002) http://www.klischka.de/joomla/artikel/medien/323-feuer-und-eis-wired-feiert-die-digitale-revolution-die-pc-welt-hadert-mit-deren-fehlern http://www.klischka.de/joomla/artikel/medien/323-feuer-und-eis-wired-feiert-die-digitale-revolution-die-pc-welt-hadert-mit-deren-fehlern Feuer und Eis

Ungleiche Geburtstagskinder: "Wired" feiert die digitale Revolution, die "PC Welt" hadert mit deren Fehlern 

Frankfurter Rundschau, 23.10.2002

Für eine Zeitschrift über die Zukunft blickt Wired derzeit erstaunlich gern zurück. Das US-Magazin erzählte in den vergangen zehn Jahren Geschichten von unterirdischen Städten, fliegenden Autos, Wasserstoff als Energiequelle - und natürlich vom Internet, der digitalen Revolution, die unsere Welt zu einer besseren machen wird. Doch die aktuelle Ausgabe feiert auf 24 Seiten die eigene Geschichte und die des vergangenen Jahrzehnts, als dessen Ikone Wired sicher gelten kann.

Doch die Historisierung der Zukunft steht durchaus in der Tradition, mit der Wired zum großen Magazin nicht nur der New Economy, sondern - neben Wallpaper - auch der 90er Jahre insgesamt wurde. Es ging Wired dabei weder um Zukunft im Sinne von Extrapolationen der Gegenwart noch um das Denken eines radikal anderen Zustands jenseits der Gegenwart. Wired und seine Visionen kennzeichnete ein atemloser Gestus, durch und in dem die Magazin-Macher alle Ideen als gigantische, futuristisch scheinende Visionen inszenierten. Auch wenn die letztlich nur in den Neonfarben des typografischen Wired-Chaos existierten - das war egal, so lange sie die Leser unterhielten. Dies war der Maßstab, nach dem die Zukunft funktionieren musste.


Deshalb schrieb Michael Crichton in der September-Ausgabe 1993, in zehn Jahren gäbe es keine Massenmedien mehr. Das war kühn wirkender und gut zu lesender Quatsch - immerhin verkaufte Wired damals 90 000 Exemplare nach nur vier Ausgaben. Die Idee für diesen Erfolg kam den Gründern Louis Rossetto und Jane Metcalfe in Europa, das Geld zur Umsetzung bekamen sie an der US-Westküste. In Amsterdam hatten Rossetto und Metcalfe in den 80er Jahren im Magazin Language Technology über Minitel, Desktop-Publishing und Hypertext geschrieben und schreiben lassen. Als es 1989 bankrott war, gingen sie nach San Francisco, um ein Magazin für die digitale Generation zu schaffen. Das Geld hatten sie 1992 dank privater Investoren wie dem Direktor des MIT Media Labs Nicholas Negroponte zusammen. Rossetto beschrieb die Lücke für Wired in der ersten Ausgabe: "Die Computerpresse ist zu beschäftigt, die neuesten Varianten der Verkaufsformeln und des Teillagers der PCInfoComputerGeschäftswelt zu diskutieren, um die Bedeutung oder den Kontext eines sozialen Wandels zu diskutieren, der so tief geht, dass die einzige Parallele wohl die Entdeckung des Feuers ist." 
Doch für sozialen Wandel interessierte Wired sich kaum. Was Marcuse die "utopische Imagination" nannte, fehlte dem Magazin der Zukunft. Denn Wired lebte den Jahrzehnte alten, stilsicheren Optimismus der US-Westküste - und es lebte von ihm: Freiheit des Individuums verstanden auch als radikaler Wirtschaftsliberalismus und Fetisch technischer Innovation sind die zwei Pfeiler dieser Denktradition. In der Zukunft liefen also besser gekleidete Hippies, bestückt mit den neusten Gadgets herum. Sprich: Menschen, die in weiten, beigen Baumwollhosen vom Boot in der Wildnis aus mit Satellitentelefon und Powerbook einen Weltkonzern leiten.

Dass solche Powerbooks bisweilen ihren Besitzern den Schoß verbrennen stand nicht in Wired. Von solchen banalen Problemen der Produkt gewordenen Zukunft und deren Lösungen leben Computermagazine wie die PC World, deren deutsche Ausgabe in diesem Monat den 20. Geburtstag feiert. Der Verlagskonzern IDG dahinter stammt aus Boston, von der US-Ostküste - nicht nur geografisch entgegengesetzt zur Heimat von Wired.

Während bei Wired in San Francisco der Computer als Tor zu einer neuen Gesellschaft galt, waren die Kollegen von PC World damit beschäftigt, den Arbeitsspeicher der Maschinen optimal auszunutzen. Die Tipps zum Optimieren sicherten mehr als ein Jahrzehnt lang hohe Heftauflagen. Denn die Tipps der PC World waren meist sogar dem Hersteller des dominierenden Betriebssystems DOS, Microsoft, voraus.

Die von Wired ausgeblendeten technischen Probleme beschrieben und lösten Hefte wie PC World, doch die gesellschaftlichen Folgen neuer Technologie waren hier ebenso wenig wie im Magazin aus San Francisco ein Thema. Zumindest in den Augen der Kritiker von

Wired. Sie warfen dem Magazin schon früh eine undifferenzierte, ja unmenschliche Begeisterung für die Schnittmenge von unternehmerischem Biss, Hightech und Hippietum vor. Sicher wirkte es zynisch, als John Perry Barlow sich Ende 1997 für Wired mit einem Powerbook nach Afrika aufmachte, umherreiste, im Netz surfte und dann die Zukunft des Kontinents greifbar sah.

Doch Wired war niemals taub gegenüber der Kritik an der neuen Gesellschaft. Die Kritik musste nur sexy genug sein. Bevor der Autor Douglas Coupland 1995 seinen Roman Microserfs veröffentlichte, erschien das erste Fragment im Januar 1994 als Erzählung in Wired. Coupland schrieb über die Sklaven der Informationstechnologie, deren Privatleben nicht existiert, sondern als Untermenge der Arbeit in der Firma stattfindet.

Diese Höhepunkte und seinen Zenit hatte Wired vor dem Boom der New Economy erreicht. Als die Fiktionen der Wired-Macher auf einmal Geschäftsgrundlage von

Unternehmen wurden und Analysten begeisterten, nahm das Magazin schon die später folgende Krise vorweg. Zwei Börsengänge scheiterten 1996. Nach fünf Verlustjahren kaufte 1998 Condé Nast das Magazin für 80 Millionen Dollar.

Wired hatte auch nach dem Ende der New Economy noch große Momente. Bill Joys Essay Warum die Zukunft uns nicht braucht erschien hier, bevor er um die Welt ging. Doch heute, unter dem Mitte 2001 nominierten Chefredakteur Chris Anderson - früher Reporter des Economist - ist Wired seriöser geworden. Bei den Visionen zählen ökonomische Fakten, nicht allein die reizvolle Inszenierung.
Wired wird der Ostküsten-Computerpresse ähnlicher. Deren nüchternes Konzept hat nach wie vor Erfolg bei Lesern und Anzeigenkunden. In Deutschland verdoppelte die PC Welt in den vergangenen neun Jahren die Auflage auf über eine halbe Million. Das US-Magazin Technology Review hat seine US-Auflage gar auf mehr als 315 000 Exemplare verdreifacht, nachdem es 1998 renoviert worden war. Damals wurde der Fokus des renommierten, am "Massachusetts Institute for Technology" herausgegebenen Titels von den fachlichen und gesellschaftlichen Aspekten neuer Technik auf die Verwertbarkeit erweitert, wie die Mitherausgeberin Martha A. Connors damals beschrieb: "Nun wird das Magazin auch die wirtschaftlichen und unternehmerischen Aspekte von Innovation abdecken." Die erste deutsche Lizenz-Ausgabe erscheint Ende August, nachdem ähnliche Projekte bereits in Japan und Italien laufen. Die Mutter der PC Welt IDG vertreibt ebenfalls den Großteil ihrer Titel als lokale Versionen von US-Vorbildern.

Wired hinkt dieser Entwicklung nun hinterher. Das Magazin folgt immer seltener dem eigenen Rezept der optimalen Inszenierung. Zum Jubiläum zeigte das Magazin das Leben im Jahr 2013 - vor allem in Form der dann zu kaufenden Gadgets. Beispielsweise einer Armbanduhr, mit der man telefonieren kann und die einem heutigen iPod verdammt ähnlich sieht. Es gibt wesentlich schlimmeres als fetischisierte High-Tech-Produkte: langweilige.]]>
[email protected] (Administrator) Medien Sat, 13 Jan 2007 14:49:48 +0000
Die Computer sind schuld! (taz, 18.10.2002) http://www.klischka.de/joomla/artikel/medien/322-die-computer-sind-schuld http://www.klischka.de/joomla/artikel/medien/322-die-computer-sind-schuld Die Computer sind schuld!

Wenn sich Verleger die Zeitungskrise erklären, müssen die Grundschulen dran glauben. Der Ausweg aber heißt: Mehr Pressekonzentration - und weg mit der Trennung von Verlag und Redaktion

 

taz, 18.10.2002

Dem Nachwuchs eröffneten die Münchner Medientage eine Perspektive. 40 Bildungsinstitutionen präsentierten sich auf dem so genannten Mediencampus. Schauten die potenziellen Medienmanager, Cutter und Journalisten dann mal von den bunten Broschüren auf, sahen sie durch die Lücke zwischen den Stellwänden - nichts. Die Hälfte der Ausstellungshalle war leer, bis auf einen Gabelstapler im Hintergrund.

So muss es auch sein, immerhin ist ja gerade Branchenkrise. Den Weg aus dieser erklärte Holtzbrinck-Geschäftsführer Michael Grabner im Auditorium nebenan so: "Wenn die Kosten niedriger als der Umsatz sind, machen wir Gewinn." Das Fachpublikum lachte amüsiert und interpretierte Grabners Gag erleichtert als Lösung. So konnte man über die langfristig wichtige Frage hinwegsehen: An was sparen, um nicht Qualität und Leser zu verlieren? Für den Zeitungsmarkt fielen den Verlegern und Geschäftsführern da neben dem Sparen vor allem zwei gar nicht so neue Lösungen ein. Zum einen könnten Journalisten bei ihrer Arbeit ja ein wenig mehr an Verlagsinteressen denken.

Karlheinz Röthemeier, Geschäftsführer der Verlagsgruppe Rhein-Main (Zeitungen in Mainz, Wiesbaden und Worms): "Die Trennung von Redaktion und Verlag haben wir vor Jahren abgeschafft. Das geht noch nicht so weit, dass der Anzeigenberater die Artikel im Lokalen schreibt."

Das "noch" war wohl ein Versprecher. Allerdings nannte Röthemeier die Grenze zwischen Redaktion und Verlag tatsächlich eine "Illusion, die in den Köpfen der Redakteure herumgeistert". Richtig erschreckt war Röthemeier über deren "Unverständnis gegenüber wirtschaftlichen Gesetzen". Konkreter beschrieb er nicht, wie weit dieses Verständnis in der Praxis gehen soll. Allein Springer-Chef Mathias Döpfner fiel da noch die journalistische Unabhängigkeit ein: "Auch wir wollen keine Gräben. Aber jeder Bereich sollte seine definierten Aufgaben haben, damit Journalisten nicht zur Übererfüllung vermeintlicher Aufgaben gegenüber Anzeigenkunden tendieren." An die Leser zu denken, dürfte ja wirtschaftlich genug sein.

Die zweite Idee zur Krisenbewältigung wird von Verlagen längst praktiziert: Kooperation und Konzentration. In den Niederlanden zentralisieren beispielsweise Regionalzeitungen ihre Anzeigenakquise, um die großen Markenanzeigen zu gewinnen, die sonst überregionalen Titeln vorbehalten sind. Bei Stellenanzeigen, Druck und dergleichen wollen auch Süddeutsche Zeitung und Frankfurter Rundschau zusammenarbeiten. Weit wagte sich Hermann Balle, Vorsitzender des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) vor, als er Medienkonzentration zum Weg aus der Krise stilisierte. Von der Politik forderte er für die Verlage "stärkere Beteiligungsmöglichkeiten in elektronischen Medien". Denn die sind eben bislang beschränkt - damit ein lokales Zeitungsmonopol nicht mittels Radio und Regional-TV zum Meinungsmonopol ausgebaut werden kann.

Was solche Beteiligungen allerdings für das wirtschaftliche Wohlergehen der Verlage bedeuten, bleibt fraglich. Immerhin fährt beispielsweise die FAZ ihre Radio-Aktivitäten wegen hoher Verluste gerade zurück. Von den Medientagen berichtete das FAZ-Businessradio München zwar noch aus einem weißen Verschlag. "Es gibt Repräsentativeres", entschuldigte sich ein Redakteur, den man beim Betreten dieses an eine Frittenbude gemahnenden Gelasses erwischt hatte. Repräsentativeres braucht es eben nicht mehr - Anfang November macht das FAZ-Radio in München dicht, auch die anderen Standorte wackeln.

Die Kosten müssen einfach sinken. Was dabei mit den Inhalten der Zeitungen geschieht, besprachen die Verleger kaum. Dabei wäre es wichtig, immerhin sinkt die Gesamtauflage. Woran das liegt, beschrieb Focus-Chefredakteur Helmut Markwort mit verlässlicher Süffisanz: "Wir müssen eine Generation von funktionalen Analphabeten fürs Lesen begeistern." Markworts Strategie ist so bekannt wie erfolgreich: kürzere Texte - und Nutzwert. "Man kann ja Serien über die billigsten Tankstellen auch auf die lokale Ebene runterbrechen", reichte Markwort das Focus-Geheimrezept an seine Tageszeitungskollegen weiter.

Doch so etwas interessiert BDZV-Chef Balle - im Hauptberuf Verleger des Straubinger Tagblatts - weniger. Er hat grundlegendere Probleme ausgemacht: "Es kann nicht sein, dass Kinder in der Grundschule den Umgang mit dem Computer lernen, aber ihre Schreib- und Leseschwächen vor sich herschieben."

Sind jetzt also die Computer an der Krise schuld? Schön wärs. Aber vielleicht können Jugendliche ja doch lesen - wollen es nur nicht bei Sätzen wie: "Schlag 12 Uhr gaben die Grafenhauner Jagdhornbläser das musikalische Auftaktzeichen zur Jubiläumsfuchsjagd mit Jagdsignalen." (Straubinger Tagblatt vom Donnerstag.)

Nach den Verlagschefs diskutierten dann Online-Experten über die Chancen von Zeitungsverlagen, mit Lokalinformationen und Dienstleistungen für die neue Mobilfunkgeneration Geld zu verdienen. Interessiert hat das wenige. Auf den gut 1.000 Plätzen im größten Saal des Kongresszentrums saßen etwa 90 Zuhörer. Die Zukunft ist einfach nicht mehr, was sie mal war. Der Moderator Michael Geffken ging vor den Sitzreihen auf und ab, bat das Publikum dann: „Kommen sie doch alle vor, damit wir uns hier vorn nicht so einsam fühlen. Dann können wir den Raum hinten abdunkeln, damit es nicht so ungemütlich ist.“

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[email protected] (Administrator) Medien Sat, 13 Jan 2007 14:48:55 +0000
Die Mediennacht der Medienmacht (taz, 11.07.2002) http://www.klischka.de/joomla/artikel/medien/321-die-mediennacht-der-medienmacht-die-csu-laedt-zum-froehlichen-medienstammtisch http://www.klischka.de/joomla/artikel/medien/321-die-mediennacht-der-medienmacht-die-csu-laedt-zum-froehlichen-medienstammtisch Die Mediennacht der Medienmacht

Die CSU lädt zum fröhlichen Medienstammtisch. Und kann weder verbergen, wo sie herkommt, noch, wo sie hin will

taz, 11.07.2002
Was ist nur aus der CSU geworden? Da liegt bei der dritten CSU-Mediennacht am Eingang des Münchner Nachtcafés tatsächlich das schwullesbische Stadtmagazin Our Munich aus - mit der Titelzeile "CSD statt CSU!". Da steht der ehemalige Chefredakteur des Bayernkurier und FJS-Intimus Winfried Scharnagl allein am Eingang und wird von mehr Menschen geschnitten als gegrüßt. Da gibt es gänzlich unbayerisches wie Krabbensalat oder Räucherlachsrose zu essen und der Obatzta wird auf Schwarzbrotecken statt auf Brezen gereicht. Überhaupt: Wo waren die Brezen?

Jetzt sind Sie reingefallen! Und zwar auf eine alte Bier-und- Brezen-Inszenierung der CSU, welche die Partei heute allenfalls in Kommunalwahlkämpfen pflegt. Nur ist diese alte wesentlich sympathischer als die neue, welche man jetzt bei ebenjener CSU-Mediennacht erleben konnte. Die bundestagswahlkompatible CSU schmeißt Our Munich nicht aus ihren Veranstaltungsorten, sondern probt eine ebenso heuchlerische wie durchschaubare Inszenierung der Nicht- Inszenierung.

Die sieht so aus: "Es gibt ja solche Politiker - einer soll jetzt im Kanzleramt sitzen -, die ihr Verhalten allein an den Medien ausrichten", fragt Markus Söder, Vorsitzender der Jungen Union in Bayern und Initiator der Mediennacht, in die Gesprächsrunde zum Thema Politik und Medien. Das war tatsächlich eine Frage, denn die Feststellung liefert Stoibers Wahlkampfberater Michael Spreng dann als Antwort noch mal hinterher: "Es ist egal, ob jemand ein netter Kerl ist, wenn im Land existenzielle Angst herrscht."

So weit haben inzwischen - nach fast einem halben Jahr - ja wohl alle die Stoiber-Inszenierung begriffen: Der ehrliche, arbeitsame Überpreuße mit überprotestantischer Arbeitsethik gegen den allein schauspielerisch begabten Luftikus. So seicht, so gut. Nur folgt natürlich auch Stoiber bestimmten Anforderungen der Medien. Michael Spreng traute dem Publikum der CSU- Mediennacht wohl nicht allzu viel zu, denn er kommentierte Stoibers Auftritt im Berliner Nachtclub "90 Grad" tatsächlich so: "Warum sollte Herr Stoiber nicht die Stadt kennen lernen, in der er arbeiten wird?"

Aber einer machte sich auf eine rührende Art Sorgen: Erwin Huber, Niederbayer und Leiter der Staatskanzlei, tadelte auf dem Podium: "Nicht, dass der falsche Eindruck entsteht, Edmund Stoiber würde seine Zeit in Berlin in Bars zubringen." Nein, keine Sorge, niemand glaubt, dass Edmund Stoiber in Berlin etwas anderes lieber täte, als Akten zu lesen. Nur sollten diese Inszenierungen - man denke an die Idee hinter der Dramaturgie bei der Vorstellung des Kompetenzteams - nicht heuchlerisch als etwas anderes ausgegeben werden. "Ein Politiker wäre dumm, wenn er nicht auf die Gesetze der Medien einginge", sagte Erwin Huber dann auch irgendwann.

Ihm nimmt man sogar den bedauernden Ton bei der Feststellung ab, dass diese Gesetze auch ihre Nachteile haben: "Bayern kann ich vielleicht in 25 Sekunden erklären, Deutschland nicht." Vielleicht ist das Vertrauen da, weil Huber bei der Frage nach der Lieblingstalkshow angestrengt und etwas unsicher mit dem Zeigefinger über die Lippen fährt, hin und her blickt und dann, als alle auf dem Podium geantwortet haben, als Letzter sichtlich stolz über den Geistesblitz sagt: "Am liebsten natürlich die ,Münchner Runde' ."

Womit wir wieder in Bayern wären. Dorthin streben viele Sätze Hubers, zum Beispiel wenn er eigentlich über den Wert von Meinungsumfragen spricht und dann auf einmal sagt: "Wenn wir in den Bierzelten sind, spüren wir, was die Menschen wirklich bewegt." Huber erlebt das wohl tatsächlich: zuletzt am Freitag beim Volksfestauszug in Reisbach. Niemand behauptet, dass sei keine Inszenierung. Nur sind die in ihrer Schlichtheit sympathischer als ein vom Medienberater, der nicht Medienberater genannt werden will, zum Nicht-Inszenierten inszenierter Kanzlerkandidat.

Nach drei Stunden Mediennacht war vom schwullesbischen Stadtmagazin Our Munich aus der Eingangshalle noch immer kein Exemplar verschwunden - Winfried Scharnagl allerdings schon. Leider.]]>
[email protected] (Administrator) Medien Sat, 13 Jan 2007 14:48:02 +0000