| Browser-Ärger: Firefox-Stiftung sitzt auf Millionen-Vermögen (Spiegel Online, 22.11.2007) |
Browser-ÄrgerFirefox-Stiftung sitzt auf Millionen-VermögenEine Stiftung koordiniert die unbezahlten Freiwilligen, die den Erfolgs-Browser Firefox programmieren. Sie ist gemeinnützig und extrem profitabel: 47 Millionen Dollar Gewinn 2006. Kritiker sprechen von Geldscheffelei - spart Mozilla für schlechte Zeiten?
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STRUKTUR: DIE MOZILLA-GESCHICHTE
Herkunft: Die Mozilla-Organisation
Rettung: Die Mozilla-Stiftung
Kommerz: Die Mozilla-Firma
Produkte: Die Mozilla-Programme |
Als die Mozilla-Stiftung 2003 ihre Tochterfirma für kommerzielle Aktivitäten gründete, warfen Blogger Mozilla zum ersten Mal Profitgier vor. Damals erklärte der Mozilla-Technikchef Brendan Eich im Programmierer-Forum Slashdot, es gehe bei der Neuorganisation nur darum, das Risiko abzuwehren, dass die Stiftung ihren Gemeinnützigkeits-Status verliert, weil ihr "Auftreten auf dem Markt mit Partnern dem eines Unternehmens" ähnele. Und, so Eich: Natürlich verdiene Mozilla Geld.
13,3 Millionen Dollar für 90 Angestellte
Was mit diesen Einnahmen zu geschehen hat, beschreibt die Mozilla-Stiftung in ihrer Selbstdarstellung in Geschäftsberichten allerdings klar. Die Stiftung existiere, um das Open-Source-Projekt Mozilla "organisatorisch, rechtlich und finanziell" zu unterstützen und "quelloffene, zu anerkannten Standards kompatible, kostenfreie" Programme zu entwickeln.
Etwa 70 Prozent der Mozilla-Ausgaben gehen als Gehaltszahlung an etwa 90 fest angestellte Mitarbeiter. Rechnerisch waren das knapp 150.000 Dollar im Jahr für jeden der 90 Angestellten. Geschäftsführerin Mitchell Baker erklärt in ihrem Blog, dass die meisten Angestellten an der Weiterentwicklung der Technik arbeiten, weitere Mitarbeiter in Peking, Neuseeland und Europa engagiert werden sollen. Weiterer großer Ausgabeposten sind die Serverkapazitäten: Ende 2006 habe Mozilla laut Baker täglich mehr als "2,1 Terabyte Datenvolumen" abgewickelt.
Firefox ist Microsofts ärgster Konkurrent
Nur: Warum finanziert die Mozilla-Stiftung mit dem 47-Millionen-Dollar-Überschuss nicht mehr als nur die 90 angestellten Entwickler? Schließlich beruht Mozillas Erfolg seit der Gründung auf den Beiträgen von unbezahlten Helfern. Geschäftsführerin Mitchell Baker schreibt in ihrem Blog selbst: "Zehntausende Menschen sind am Mozilla-Projekt beteiligt, mehr als 1000 Programmierer haben Code zu Firefox 2 beigesteuert, Mozilla hat 50 dieser Entwickler beschäftigt."
Die von unbezahlten Helfern geleistete Arbeit zahlt sich aus: Mozillas Webbrowser Firefox ist heute der ärgste Konkurrent von Microsofts "Internet Explorer". Bei SPIEGEL ONLINE kamen gestern 44,85 Prozent der Seitenanfragen von Mozilla-Browsern, vor allem von Firefox 2. Die Versionen des Internet Explorers kamen zusammen auf 52,39 Prozent. Deutschland ist allerdings im internationalen Vergleich ein Sonderfall bei der Firefox-Verbreitung. Weltweit hat Auswertungen von diversen Web-Dienstleistern zufolge Mozilla einen Anteil von 13 bis 15 Prozent (eine gute Übersicht bei Wikipedia).
Google hat die Mozilla-Stiftung in der Hand
Aus dieser vergleichsweise starken Präsenz schlägt Mozilla vor allem über die im Firefox-Browser integrierten Suchfenster Kapital. Google ist als Standard-Suchmaschine im Firefox-Browser eingestellt. Und dafür zahlt Google. Im Mozilla-Geschäftsbericht für 2006 (PDF-Dokument) erklärt eine Fußnote, dass etwa 85 Prozent der Einnahmen aus einem Vertrag mit "einem Suchmaschinen-Anbieter" stammen. Gemeint ist Google. Der Vertrag lief eigentlich im November 2006 aus, wurde aber bis November 2008 noch einmal verlängert.
Sprich: Google hat die Mozilla-Stiftung in der Hand. Ohne die 56,8 Millionen Dollar des Internetkonzerns hätte die Stiftung im vorigen Jahr nicht einmal ihre Angestellten bezahlen können, ohne Verlust zu machen. Vielleicht spart die Mozilla-Stiftung Vermögen an, um unabhängiger von Google zu werden. Wenn Mozilla weiter in dem Ausmaß Vermögen anhäuft wie 2006, könnte die Stiftung in einigen Jahren ihre Ausgaben sogar aus den Zinsen des angesparten Kapitals finanzieren - ohne das Vermögen anzutasten.
Ob die Zeit dafür reicht, ist fraglich. Noch hält die Konstellation: Google finanziert Mozilla und damit den Hauptkonkurrenten des Microsoft-Browsers. Nun entwickelt Google aber selbst ein Betriebssystem samt Webbrowser für mobile Geräte, um hier die erwarteten Einnahmen aus lokalisierter Werbung einmal selbst abgreifen zu können. Wenn sich tatsächlich mehr Suchanfragen auf Mobilgeräte verschieben, bröckelt das Fundament der Mozilla-Google-Allianz.
Vielleicht spart die Stiftung also einfach für die Zukunft - für eine düstere Zukunft ohne das große Google-Geld.