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Es wäre unbedingt ein Leben mit mehr Sinn
Businessplan für imaginäre Unterhaltungs-Umwelten von „Senseful Recreation Services“
I. Executive Summary
Unser
Produkt „imaginäre Unterhaltungs-Umwelt“ (iUU) befriedigt zwei von
kommerziellen Anbietern bisher weitgehend unbeachtete Bedürfnisse.
Diese resultieren aus der wenig effizienten Verteilung von Sinn und
Zeit durch das derzeitige Wirtschaftssystem: Die Arbeitskraft eines
großen Bevölkerungsteils ist nicht mehr profitabel einzusetzen. Deshalb
haben diese Menschen viel Zeit – für eine materiell wenig befriedigende
Existenz, die sie oft als sinnfrei empfinden. Umgekehrt verhält es sich
bei der anderen Bevölkerungsgruppe. Hier kann trotz materiellen
Überflusses auf individueller Ebene meist nicht einmal das Minimum an
Aufmerksamkeit für die volle Nutzung der aktuellen, überwiegend
zeitintensiven Unterhaltungsangebote aufgebracht werden.
Unsere
Lösung ist eine Umverteilung der beiden entscheidenden Ressourcen Zeit
und Geld durch „Senseful Recreation Services“ (SRS). Indem wir in den
iUUs sowohl Möglichkeiten für die Gewinnung als auch den Verbrauch
dieser Ressourcen und vor allem einen Marktplatz zum Handel mit
denselben bereitstellen, ergeben sich für unser Unternehmen SRS mehrere
Möglichkeiten, Profit abzuschöpfen.
II. Markt und Produkt
1) Bedarf an Sinn
Die
Zahlen sind seit langem bekannt, doch wurde in ihnen bisher – aus nur
scheinbar offensichtlichen Gründen - nicht das eigentliche
Marktpotential erkannt: Ein Drittel der weltweit rund drei Milliarden
Menschen im erwerbsfähigen Alter ist laut dem Weltbeschäftigungsbericht
der International Labor Organization (ILO) arbeitslos oder
unterbeschäftig.
Dass ein Teil dieser Arbeitslosigkeit nicht mehr
durch Deregulierung und Ausweitung der Niedriglohnsektoren zu
beseitigen ist, wird zwar nicht öffentlich eingestanden, aber dennoch
akzeptiert. Es dominiert allerdings weiterhin das längst antiquierte
soziale Leitbild der vollen Erwerbstätigkeit sowohl im politischen und
gesellschaftlichen Diskurs als auch in der individuellen Lebensplanung.
Der gesellschaftliche Wert der Arbeitslosen wird gering bemessen, was
sich am deutlichsten in ihrer materiellen Versorgung ausdrückt.
Zahlreiche Untersuchungen zeigen auch eine geringe Eigenwertschätzung.
Es überrascht daher nicht, dass die Selbstmordrate weltweit seit Mitte
der fünfziger Jahre um 60 Prozent gestiegen ist. Sie liegt laut World
Health Organization (WHO) weltweit bei einer Million Toten im Jahr.
Dass eine Kausalität zwischen Arbeitslosigkeit und Suizidrate besteht,
zeigt Litauen, das Land mit der höchsten Selbstmordrate der Welt. Hier
sind die meisten Selbstmordfälle in jenen ländlichen Gebieten mit der
höchsten Arbeitslosenrate zu beobachten.
Es besteht also hoher
Bedarf nach einem Angebot, das als sinnvoll wahrgenommene Aufgaben und
Tätigkeiten vorgibt, den Alltag strukturiert, einen Großteil der
Lebenszeit beansprucht, ein – bestenfalls leistungsabhängiges Einkommen
– sichert und einen auch außerhalb des zu schaffenden Subsystems der
iUUs geltenden sozialen Status definiert.
Das grundlegende Problem
bei diesen Bedürfnissen ist die Finanzierung der Angebote. Aufgrund
mangelnder Werberelevanz arbeitsloser Menschen scheidet eine
Mischfinanzierung aus Werbeerlösen und Abonnementgebühren aus. Dieses
Problem muss durch die Form des Angebots selbst gelöst werden.
2) Bedarf an Zeit und neuen Unterhaltungsformen
Eine
Perspektive auf eine solche Lösung eröffnet ein anderes unbefriedigtes
Bedürfnis: Jenes der arbeitenden Bevölkerung nach Medienangeboten, die
bei einer relativ geringen Investition von Aufmerksamkeit hohe
Individualisierung und starkes Involvement bieten.
Auch hier sind
die Zahlen längst bekannt, aber nicht genügend analysiert: Trotz
Kurzarbeit aufgrund der lahmenden Konjunktur schätzt das Institut für
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung die Anzahl der geleisteten bezahlten
Überstunden in Deutschland auf knapp 1684 Millionen für das Jahr 2002.
Die Arbeit verbraucht konstant hohe, wenn nicht sogar steigende Anteile
des Aufmerksamkeitsbudgets der Erwerbstätigen: Während in den siebziger
Jahren die Eltern einer Mittelklassefamilie etwa 3000 Stunden im Jahr
arbeiteten, sind es heute 3335 Stunden – mit steigender Tendenz.
Zugleich
steigt - scheinbar paradoxerweise - der Medienkonsum, sowohl in der
Gesamt- als auch in der Teilpopulation der Erwerbstätigen. Analysten,
beispielsweise von Mercer Management Consulting, schätzen, dass sich
die zeitliche Nutzung von Medien je Person auf 505 Minuten täglich im
Jahr 2001 auf 529 Minuten pro Tag im Jahre 2006 erhöhen wird. Die
Ausgaben sollen je Haushalt von 60,06 auf 70,57 Euro steigen. Das
größte Anteilswachstum am zeitlichen und finanziellen Budget werden
dabei Film und Fernsehen verzeichnen.
Zwei Gründe für diesen Anstieg
sind von besonderem Interesse für die Gestaltung von iUUs. Zum einen
die zunehmende Individualisierung des Medienkonsums, beziehungsweise
das wachsende Bedürfnis nach einer solchen. Es wurde schon Anfang der
siebziger Jahre erwartet, wobei Wissenschaftler wie Maxwell McCombs
noch davon ausgingen, dass sich nicht die Art der Produktion, sondern
allein die Art und Weise des Konsums ändern würde. Interessant ist für
SRS auch die Bedeutung des steigenden Bedürfnisses nach parasozialer
Interaktion für den expandierenden Medienkonsum.
Obwohl die
Gültigkeit der Konzepte eines aktiven Publikums, das bewusst Inhalte
zur Befriedigung bestimmter Bedürfnisse wählt, zweifelhaft ist, kann
als sicher gelten, dass Menschen zwar habituell handeln, aber hierbei
auch von ihren Bedürfnissen beeinflusst werden. Beim Medienkonsum sind
dies beispielsweise Entspannung, Information, Gewohnheit, Zeitvertreib,
Spannung, Eskapismus und - für SRS besonders - interessant persönliche
Identität, persönliche Beziehungen und Kontrolle der Umgebung.
Da
sich die Produktion der Medieninhalte tatsächlich wenig geändert hat,
werden diese Bedürfnisse nach Individualisierung und parasozialer
Interaktion nicht ausreichend befriedigt. Und weil allgemein
zugängliche Alternativen nicht existieren, steigt der Medienkonsum
aufgrund der beschriebenen Bedürfnisse: Die durch Daily Soaps, Serien
und Shows ermöglichte parasoziale Interaktion bewegt sich ebenso wie
die eröffneten Indvidualisierungspotentiale des Konsums und das
Involvement auf einem qualitativ sehr niedrigen Niveau, wenn man es mit
elitäreren Angeboten wie Onlinerollenspielen vergleicht.
Der Erfolg
von Onlinerollenspielen wie „Everquest“ oder „Lineage“ zeigt, dass
konzeptionell völlig neue Angebote sehr stark genutzt werden, wenn sie
die beschriebenen Anforderungen – zumindest teilweise - erfüllen. Die
heute bestehenden Angebote sind hochprofitabel: Einnahmen von 100
Millionen Dollar im Jahr bei einer Gewinnspanne von 20 bis 40 Prozent
sind bei Spitzentiteln normal. Die fünf größten Onlinerollenspiele
haben zusammen etwa vier Millionen Abonnenten.
Die Faszination
dieser Spiele hängt damit zusammen, dass die Realität in ihnen so
intensiv wie bei keinem anderen Spielgenre wirkt. Denn es ist eine
soziale: Sie entsteht durch die Kommunikation und das gemeinsame
Erleben mit anderen Spielern. Ein anderer wichtiger Motor dieser Spiele
ist der soziale Aufstieg. Ein ausgeklügeltes, ständig von
professionellen Mitarbeitern modifiziertes Aufstiegs- und
Belohnungssystem hält den Reiz des Spiels auf einem konstant hohen
Level.
Das Konzept von Onlinerollenspielen erfüllt also bereits
ansatzweise einige der Anforderungen, welche die beschriebenen
Zielgruppen an neue Unterhaltungskonzepte richten:
Alltagsstrukturierung, hohe Aufmerksamkeitsbindung, ein zumindest
innerhalb des Subsystems erreichbarer sozialer Status.
Drei Probleme
verhindern jedoch derzeit eine breitere Anwendung dieses Konzepts. Die
notwendigen Investitionen in Hard- und Software sind zu hoch. Das
verlangte technische Verständnis ist nicht allgemein verbreitet. Die
für ein befriedigendes Spielerlebnis nötige Aufmerksamkeit kann nur von
wenigen aufgebracht werden: ein durchschnittlicher Spieler verbringt 20
Stunden je Woche mit Onlinerollenspielen.
3) Lösung
a) Struktur
Visionen
neuer, den gestiegenen Ansprüchen auf dem stark umkämpften
Aufmerksamtkeitsmarkt entsprechender Medienangebote werden schon seit
längerem entworfen. Allerdings ausschließlich für vermögende
Zielgruppen. Der Autor James Graham Ballard beschrieb Ende der
neunziger Jahre in den Romanen „Super-Cannes“ und „Cocaine Nights“ die
Inszenierung von Kriminalität als Angebot zur Sinn-, Identitäts- und
Gemeinschaftsproduktion. Ähnlich wie David Finchers „The Game“ wird
hier aber von einer Inszenierung in der bestehenden Umwelt ausgegangen.
Dieser
Weg ist für kommerzielle Angebote, welche oben beschriebene Zielgruppen
fokussieren, weder finanzierbar noch interessant, weil die Struktur der
bestehenden sozialen Umwelt vollkommene Kontrolle nicht zulässt, können
soziale Prozesse nicht annähernd so gut kanalisiert werden wie bei
Onlinerollenspielen. Die Folge: Wesentliche Anforderungen an das
Produkt - wie beispielsweise die Statusgenerierung - können nur schwer
realisiert werden.
Aufgrund der Möglichkeit, die Umwelt den
Bedürfnissen der in ihr agierenden Kunden anzupassen, ist eine Lösung
in Form eines Computerspiels vorzuziehen. Besonders interessant ist
dabei aufgrund der nutzbaren sozialen Dynamik im besonderen die Form
eines Onlinerollenspiels.
b) Markt für aggregierte Unterhaltungerfahrung
Unser
Modell eines Marktplatzes für in virtuellen Objekten aggregierte
Spielzeit und Unterhaltungserfahrung ist ansatzweise bereits
erfolgreich erprobt. Eine noch kleine, aber stetig wachsende Gruppe von
„Everquest“-, „Ultima Online“- und „Lineage“-Spielern finanziert
bereits ihren Spielkonsum durch den Verkauf von Spielcharakteren und
Gegenstände aus der Spielwelt an andere Spieler, die nicht über
genügend Zeit verfügen, den angestrebten Spielstatus durch Investition
eigener Aufmerksamkeit zu erreichen. Hier ist in nucem ein Teil des
Marktes entstanden, der oben beschrieben wurde: Spielende finanzieren
ihr Spiel durch den Verkauf aggregierter Unterhaltungserfahrung an
Spielwillige mit geringem Zeitbudget.
Die derzeitige Größe dieses
Marktes ist schwer zu definieren. Der Wirtschaftswissenschaftler Edward
Castranova hat allerdings interessante Orientierungspunkte geliefert:
Mittels der bei Onlineauktionen erzielten Preise für Spielgüter
berechnete er den Wert der von Spieler aggregierten Spielerfahrung.
Demnach schafft ein Everquest-Spieler je Spielstunde einen Mehrwert von
3,42 Dollar.
Rein rechnerisch könnten also bereits heute mit den bei
den fünf größten Onlinerollenspielen geschaffenen Werten 13,2
Milliarden Euro im Jahr erzielt werden – vorausgesetzt, die eine
durschnittliche Wochenspielzeit liebt bei 20 Stunden und die Preise
bleiben auf dem von Castranova bestimmten Niveau.
Doch der Markt für
diese geschaffenen Werte ist nicht groß und nicht perfekt genug. Die
Produzenten von Onlinerollenspielen haben bisher die Chancen dieser
Aktivitäten nicht erkannt. Sie tolerieren sie bestenfalls, der
„Everquest“-Betreiber „Verant“ geht sogar mit Hilfe des Urheberrechts
gegen den Handel mit Spielgegenständen vor. Dabei wäre das Urheberrecht
ein ideales Werkzeug zum Abschöpfen von Umsatzbeteiligungen bei solchen
Transaktionen.
SRS muss also zunächst eine professionelle
Handelsplattform schaffen, auf denen Spieler exklusiv Objekte,
Charaktere und Dienstleistungen aus den von SRS angebotenen imaginären
Unterhaltungs-Umwelten (iUUs) verkaufen.
c) Strategien zur Nachfragesteigerung
Neben
einer solchen Plattform muss die Nachfrage nach den dort angebotenen
Gütern enorm gesteigert werden. Die Struktur heutiger
Onlinerollenspiele muss stark an die Bedürfnisse der Zielgruppe gut
verdienender aber aufmerksamkeitsarmer Arbeitnehmer angepasst werden.
Und zwar in einem Ausmaß, das es zum einen professionellen Spielern
ermöglicht, ihren Lebensunterhalt allein durch Interaktionen in den
iUUs von SRS zu bestreiten, und andererseits SRS einen angemessenen
Gewinn sichert.
Die einzelnen Möglichkeiten zur Gewinnabschöpfung
werden in III.2. beschrieben. Hier soll es allein um die notwendige
Angebotsstruktur von iUUs für eine starke Nachfrage der gut
verdienenden aber aufmerksamkeitsarmen Zielgruppe gehen.
d) Gefühl absoluter Macht
Natürlich
geht allein schon von der Möglichkeit, in einen Spielcharakter zu
schlüpfen, ein enormer Reiz aus. Hierbei muss bedacht werden, dass sich
die Spielcharaktere in den iUUs von SRS grundsätzlich von den heutigen
unterscheiden: Sie werden tagtäglich von professionellen Spielern
gelebt. Sich über unsere Handelsplattform die absolute Macht über einen
solchen Spielcharakter zu kaufen oder zu mieten ist deshalb eher mit
der Kontrolle eines Lebewesens als einer Spielfigur zu vergleichen. Das
hieraus resultierende Machtgefühl ist eine einzigartige Qualität
unseres Produkts.
e) Individualisierte Charakterzüchtungen
Doch
das Schlüpfen in andere Spielfiguren ist nicht das zentrale Angebot
unserer imaginären Unterhaltungs-Umwelten. Es sollte den Kunden
überlassen sein, wie sie in das Spiel eingreifen, ob sie selbst aktiv
spielen oder eher Anweisungen geben und beobachten. Das Bedürfnis nach
Individualisierung und Involvement lässt sich im Angebot einer
gesteuerten Züchtung eines Spielcharakters vereinen. Hier beauftragt
ein Kunde einen professionellen Spieler mit der Entwicklung und Führung
eines spezifischen, nach seinen Vorgaben erschaffenen und sich
entwickelnden Spielcharakters. Um das Involvement auch bei geringem
Aufmerksamkeitsbudget aufrecht zu erhalten, ist eine konstante
Videoüberwachung der Aktionen des Spielcharakters in der Spielwelt
möglich. Der Kunde kann so jederzeit über ein Mobiltelefon, einen
Computer oder einen Fernseher mit entsprechender digitaler Set-Top-Box
das Leben des von ihm in Auftrag gegebenen Spielcharakters beobachten.
Selbstverständlich sind bei solchen Angeboten auch spezifische
Handlungsanweisungen möglich. Es hängt allein vom Kunden ab, ob er eher
aktiv oder passiv an dem von ihm gekauften Leben partizipieren will.
Als Vorbild für die Adoption von Spielcharakteren sind jene
Kinderhilfsprojekte denkbar, die als Gegenleistung für eine Spende
Statusberichte über die Entwicklung des Hilfsobjekts anbieten, so dass
eine emotionale Bindung entsteht.
f) Schicksalsauktionen
Denkbar
sind aber auch Eingriffe in das Leben von nicht durch den Kunden
beauftragte Spielcharakterzüchtungen. So kann ein Kunde, der an einem
bestimmten mietbaren Spielcharakter Gefallen gefunden hat, hier eine
bestimmte Entwicklung oder auch nur eine einzige Handlung in Auftrag
geben. Reizvoll wäre eine solche Eingriffsmöglichkeit aber auch bei
Spielcharakteren, die ein anderer Kunde gekauft, in Auftrag gegeben
oder dauerhaft gemietet hat. Dies ließe sich durch Auktionen
realisieren. Die temporäre Kontrolle über einen Spielcharakter würde
dabei an den Höchstbietenden versteigert. Solche Schicksalsauktionen
und feindlichen Übernahmen müssen aber technisch auf dafür ausgewiesene
Gebiete der Spielwelt beschränkt bleiben, da sie ansonsten die
Spielfreude an Zeit und Geld ärmerer Kunden beeinträchtigen könnten.
g) Pornographische Performances
Natürlich
ist über die Handelsplattform auch der Erwerb von Dienstleitungen
denkbar, die bisherigen Rezeptionsarten ähneln. Interessant dürfte hier
wegen der heute möglichen photorealistischen Graphik der Bereich der
pornographischen Performances sein. Natürlich müssen diese Angebote
streng von den übrigen der iUUs getrennt werden, damit das Image des
Produkts nicht verzerrt wird. Trotzdem dürfte dieser Teilbereich sowohl
den professionellen Spielern als auch SRS enorme Profite bringen.
Denkbar sind beispielsweise gekaufte Shows, bei denen ein oder mehrerer
Spielcharaktere entsprechend den Vorgaben des Kunden agieren. Inwieweit
solche in der Darstellung rein virtuellen Angebote durch die
Rechtssprechung den bestehenden Schranken unterworfen werden, ist nicht
abzusehen. Doch selbst bei restriktivster Rechtssprechung dürften diese
Angebote für spezielle Zielgruppen höchst attraktiv bleiben.
h) Fazit
Die
Gesamtheit dieser Angebotsstruktur ermöglicht es dem immer kleiner,
vermögender und aufmerksamkeitsärmer werdenden arbeitenden
Bevölkerungsteil, in imaginären Unterhaltungs-Umwelten
bedürfnisgerechte Unterhaltung zu erfahren - ohne dafür zwingend zu
viel Aufmerksamkeit investieren zu müssen. Im Gegenzug wird durch diese
Angebote ein Raum geschaffen, indem der wachsende arbeitslose
Bevölkerungsteil sich nicht nur sinnvolle Lebensinhalte, sondern auch
eine materielle Versorgung erspielen kann. Ein Teil der Bevölkerung
erlebt Freizeit zum Teil stellvertretend, vor allem aber unterstützend
für den anderen und finanziert so seine Existenz.
III. Wettbewerb und Geschäftsmodell
1) Wettbewerb
Das Produktkonzept der imaginären Unterhaltungs-Umwelten ist einmalig, Konkurrenz zu SRS existiert bisher nicht.
2) Profitmöglichkeiten
Eine
fixe Abonnementgebühr wird sowohl von professionellen Spielern als auch
von anderen Kunden verlangt. Allerdings ist sie bei Hardcore-Spielern
nur in moderater Höhe sinnvoll, da sonst die kritische Spielermasse
nicht schnell genug zu erreichen ist. Die kostenlose Abgabe der
Spielsoftware ist nur in der Anfangsphase sinnvoll, später kann ein
Preis in der Höhe heutiger Onlinerollenspieltitel von allen Kunden
verlangt werden. Die anteilsmäßig größten Einnahmen werden durch die
prozentuale Umsatzbeteiligung an den auf dem professionellen Markplatz
der iUUs verkauften Waren, Charaktere und Dienstleistungen erzielt:
Eine
weitere lukrative Einnahmequelle sind Abonnementgebühren für
Zusatzleistungen für nicht-professionelle Spieler. Beispielsweise:
Permanente Videoüberwachung der gekauften oder gemieteten
Spielcharaktere, Zusammenstellung der Ereignisse aus der Spielwelt zu
audiovisuellen Berichten, Erhöhung der Berichtfrequenz über den mit der
Grundgebühr abgegoltenen Basiswert hinaus.
VI. Marketing und Vertrieb
Beim
Marketing muss zwischen dem Produkt imaginäre Unterhaltungs-Umwelt für
die Zielgruppe der gut verdienenden aber aufmerksamkeitsarmen
Arbeitnehmer und dem Produkt imaginäre Unterhaltungs-Umwelt für die
Arbeitslosen unterschieden werden.
1) Zielgruppe der aufmerksamkeitsarmen Arbeitnehmer
Für
die erste Zielgruppe lassen sich klassische Vermarktungsstrategien
qualitativ und preislich hochwertiger Unterhaltungsprodukte anwenden.
Form und Inhalt drückt stellvertretend dieser konservative Claim aus:
„Ein Geschenk für den, der alles hat“. Nicht der Unterhaltungswert des
Produkts sollte akzentuiert werden, denn es leistet ja weit mehr als
das. Stattdessen sind zu betonen: Professionalität, Innovation,
Qualität, ein wenig Exklusivität und Mysterium.
2) Zielgruppe der aufmerksamkeitsreichen Arbeitslosen
Schwerer
ist die Strategie gegenüber der Zielgruppe der Arbeitslosen
festzulegen. Ihr fehlt zunächst überhaupt das Bewusstsein, überhaupt
eine Zielgruppe zu sein. Deshalb muss dieses Gefühl im ersten Schritt
der Kampagne aufgebaut werden. Arbeits-, Nutz- und Sinnlosigkeit sind
schwer kommunizierbar. Hier kann sich die Marketingstrategie an
Kampagnen für Lifestyle-Medikamente orientieren. Denn auch hier wird
ein unerwünschter, stigmatisierender Zustand kapitalisiert, so
beispielsweise höchst erfolgreich beim Antidepressivum Prozac.
Die
Vermarktung muss in mehreren Stufen ablaufen. Als erstes wird
Arbeitslosigkeit thematisiert. Scheinbar nicht zusammenhängende
Ereignisse müssen zu einem wiedererkennbaren Phänomen kombiniert
werden, zum Beispiel Antriebslosigkeit, Erkrankungen, Suizidgefahr,
Kriminalität und Ähnliches. Im nächsten Schritt muss die soziale
Unerwünschtheit dargestellt werden.
Die nächsten drei Stufen des
Marketings ermöglichen dann die Umdeutung des Stigmas in ein
Lebensstil-Angebot. Diese folgenden Stufen der Epidemisierung,
Operationalisierung und Pop-Kulturalisierung hat Franz Liebl
exemplarisch in seinem Aufsatz „Depression und die Strategien ihrer
Vermarktung“ durchgespielt. Sein Ergebnis gilt ebenso für die
imaginären Unterhaltungs-Umwelten von „Senseful Recreation Services“
und die Zielgruppe der Arbeitslosen: „Vom ‚Point of No Return’ zum
‚Point of Sale’.
V. Chancen und Risiken
Risiko
und Chance resultieren beide aus der Neuartigkeit des Produkts
„imaginäre Unterhaltungs-Umwelt“. Diese muss schnell genug einer
kritischen Masse von professionellen Spielern und an iUUs
interessierten Arbeitnehmern vermittelt werden. Wächst eine der beiden
Kundengruppen zu langsam, wird das Finanzierungskonzept nicht greifen
können.
Gelingt dies aber, wird die Umsatzrendite mindestens ebenso
hoch wie bei den heute führenden Onlinerollenspielen sein, die
absoluten Gewinne von SRS dürften die heutigen Angebote aber um ein
Vielfaches übertreffen. Denn SRS wird mit seinen iUUs zur zentralen
Schnittstelle zwischen Sinnproduktion und Zeitverteilung innerhalb der
Gesellschaft werden.
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