Steve Jobs' Macworld-Keynotes: Abtritt des Apple-Magiers (Spiegel Online, 17.12.08, mit M. Kremp)

Ende von Steve Jobs' Macworld-Keynotes

Abtritt des Apple-Magiers

iBook, iMac, iPhone - wenn Steve Jobs die Macworld Expo eröffnete, hing die Apple-Welt an seinen Lippen. Ab sofort hört er damit auf, prompt wird über seine Gesundheit und die Konzernzukunft spekuliert, die Aktie stürzt ab. SPIEGEL ONLINE zeigt, was die Keynote-Shows so legendär machte.

Spiegel Online, 17.12.200, mit Matthias Kremp

"Reports of my death are greatly exaggerated": Steve Jobs bewies Humor, als er im September bei einer Apple-Show in San Francisco auftrat. Berichte über seinen Tod seien ziemlich übertrieben, stand auf der Monitorwand hinter ihm zu lesen. Ein Satz von Mark Twain. Der Witz verfing, das Publikum lachte - schließlich hatte Tage zuvor die Nachrichtenagentur Bloomberg gerade versehentlich einen Nachruf auf den Konzernchef veröffentlicht.

Vor gut vier Jahren war Jobs an Bauchspeicheldrüsenkrebs erkrankt, in diesem September sah er hager aus - noch hagerer als im Juni, als er die neue iPhone-Generation vorgestellt hatte und erstmals Gerüchte über eine erneute Krebserkrankung aufgekommen waren. Deshalb auch machten sich manche in der Szene weiter Sorgen über seinen Gesundheitszustand. Im Oktober bloggte ein Bürgerjournalist bei CNN, Jobs habe einen Herzinfarkt erlitten. Eine Ente. Bei der nächsten Apple-Veranstaltung ein paar Tage später ließ der Konzernchef hinter sich einblenden: "110/70 - Steves Blutdruck".

Man muss diese Vorgeschichte kennen, um zu verstehen, wieso nun an diesem Mittwoch gleich neue Krankheitsgerüchte aufkamen, als Apple mitgeteilt hatte: Auf der wichtigen Apple-Messe Macworld Expo im Januar 2009 wird Jobs nicht auftreten. Er lässt sich durch seinen Vizepräsidenten Philip Schiller vertreten.

Warum, begründete der Konzern nicht, sondern machte klar: Die Macworld Expo im vergangenen Januar sei die letzte gewesen, auf der Jobs in seiner Keynote durch die Neuankündigungen des Konzerns führte.

Aktie an der Wall Street stürzt ab

Tatsächlich will sich Apple nach 2009 ohnehin ganz von der Messe zurückziehen, weil man sich auf Vertriebskanäle wie das Internet konzentrieren möchte. Aber das konnte die Apple-Szene nicht von dem Schock über Jobs' Entscheidung ablenken. Prompt kamen neue Sorgen auf - über seine persönliche Zukunft und auch über die des Unternehmens. Schließlich sind beide eng miteinander verbunden. Wie bei kaum in einem anderen Unternehmen steht Jobs für den Erfolg von Apple. Die Aktie des Konzerns an der Wall Street stürzte ab, an diesem Mittwoch um zeitweise mehr als sieben Prozent.

Plötzlich steht die Frage im Raum: Was wird aus Apple, wenn Jobs nicht mehr ist - selbst wenn die Gerüchte um eine Erkrankung wieder Unsinn sind und er sich nur aus dem operativen Geschäft des Unternehmens zurückziehen will.

"Das kommt total unerwartet", sagte Gene Munster, Analyst bei Piper Jaffray. "Es ist bedeutungslos, dass Apple sich von der Macworld zurückzieht - aber es ist bedeutsam, dass Steve Jobs nicht seine finale Keynote hält." Rob Enderle von dem Forschungsunternehmen Enderle Group in San Jose vermutet zumindest ein "Problem irgendeiner Art". Jim Goldman von CNBC berichtete mit Verweis auf Insider, die Entscheidungen hätten mehr mit Politik als mit Krebs zu tun. Dass erneut gesundheitliche Problem hinter dem Rückzug stehen, sei unwahrscheinlich.

Das Ende von Jobs' Keynotes bei der Macworld Expo schockiert die Szene deshalb so sehr, weil sie ein unumstrittener Höhepunkt des Apple-Jahres waren. Nicht nur wegen der neuen Produkte, die er mal aus der Tasche, mal unter einem Tuch hervor und mal aus einem Hauspostumschlag zog.

Auch seine Präzision wurde stets gelobt - wobei die beteiligten Apple-Manager unter dem Perfektionismus ihres Chefs litten, die Vorbereitungen begannen Monate vor der Show. Wer während der mehrtägigen Proben patzte, musste damit rechnen, noch in letzter Minute aus dem Programm geworfen zu werden, berichtete vor einigen Jahren ein ehemaliger Apple-Mitarbeiter.

SPIEGEL ONLINE blickt zurück auf die Höhepunkte, die Jobs' Keynotes so legendär machten - elf Jahre im Zeitraffer:

1997 - Bill Gates als neuer Apple-Investor

Es begann mit einem Schock. Steve Jobs war gerade mal seit ein paar Monaten als kommissarischer Geschäftsführer zurück bei Apple, da überraschte er die Fans. Auf der Macworld Expo in Boston trat er in weißem Sweatshirt und mit schwarzer Weste auf und verkündete, er werde heute nicht über Produkte sprechen. Sondern darüber, wie Apple überleben, nach Verlustjahren wieder wachsen könne. Man brauche Partner.

Gemurmel im Publikum.

Jobs: "In den vergangenen Wochen haben wir uns Apples Geschäftsbeziehungen angeschaut und eine zeichnete sich als ganz besondere heraus. Die Partnerschaft lief nicht so gut, aber sie hat viel Potential, sie kann großartig für beide Unternehmen sein."

Dann die Bombe: "Es ist die Partnerschaft mit Microsoft."

Schweigen. Schockstarre im Publikum. Murmeln. Ein paar Leute buhen, die meisten klatschen. Jobs schiebt zur Beruhigung nach: "Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden, dass Microsoft verlieren muss, damit Apple gewinnen kann."

Ein paar Lacher erntet er mit der süffisanten Randbemerkung: "Die Gespräche begannen wegen einiger Patentstreitigkeiten."

Dann der zweite Tiefschlag für die Apple-Fans: "Wir haben einen besonderen Gast". Und dann lächelt von einer riesigen Videoleinwand Bill Gates die Jobs-Zuhörer an. Einige buhen, verlassen den Saal. Nach einer knappen Minute ist Ruhe und Gates kann sprechen und Apple loben. Die wesentlichen Ankündigungen damals:

  • Microsoft kaufte für 150 Millionen Dollar Apple-Aktien.
  • Die Patentstreitigkeiten wurden einvernehmlich beigelegt, Microsoft soll dafür angeblich um die 100 Millionen Dollar bezahlt haben.
  • Neue Versionen von Office für den Mac erscheinen mindestens fünf Jahre lang.
  • Der Internet Explorer wird zum Mac-Standard-Browser.

Rückblickend waren die Sorgen der Apple-Fans damals übertrieben - Apple steht heute besser da denn je.

1999 - Knubbel-iBook und Drahtlos-Internet

1999 wurde das Publikum von einem Steve Jobs überrascht, der irgendwie anders aussah als sonst. Nicht der Apple-Chef selbst, sondern der Schauspieler Noah Wyle (besser bekannt aus der TV-Serie "Emergency Room") trat im typischen Jobs-Dress auf: Turnschuhe, Jeans, schwarzer Rolli.

Er hatte kurz zuvor den Part des Apple-Lenkers in dem TV-Film "Pirates of the Silicon Valley" übernommen. Den Scherz klärte Jobs selbst erst nach einigen Minuten auf.

Die iBook-Vorstellung auf der New Yorker Macworld Expo hat erstmals alle Markenzeichen einer klassischen "Stevenote": Jobs trägt Jeans, einen schwarzen Rolli und pflegt die Apple-Rhetorik. Die Versatzstücke "es ist schön", "es ist wunderbar", "es ist verblüffend" lässt er immer wieder fallen bei seiner Beschreibung des ersten iBooks.

Das wirkt rückblickend manchmal unfreiwillig komisch. Zum Beispiel, als Jobs eine "unglaubliche" Besonderheit des drei Kilo schweren Geräts anpreist: "Es hat einen Tragegriff." Job hält das iBook am Griff hoch: "Unglaublich!" Das Publikum brüllt.

Und: Das Notebook lässt sich einfach so auf- und zuklappen, ohne dass man einen Haken lösen muss wie bei vielen Notebooks damals. "Wirklich schön" sei das, sagt Jobs, so "einfach wie bei einem Mobiltelefon". Und der dicke runde Gummirand an den Seiten des iBooks fühle sich "wunderbar an",

Runde Form und knallige Farbkombinationen unterschieden das iBook äußerlich von anderen Tragecomputern - so wie sich der knubbelige bunte iMac von andern Desktop-Rechnern unterscheidet. Abgesehen von diesen Äußerlichkeiten war das iBook einer der ersten Tragecomputer mit integrierter W-Lan-Antenne und -Karte.

Apple trieb die Verbreitung der heute allgegenwärtigen Drahtlos-Netzwerke damals sehr engagiert voran. Jobs stellt in der klassischen "Und noch etwas"-Zugabe seiner Vorstellung die sogenannten Airport-Basisstationen vor, Apples eigene Version eines W-Lan-Routers. Laut Jobs soll der Airport-Router eine Reichweite von 50 Metern haben - "das genügt für jedes Haus. Abgesehen von dem von Bill Gates vielleicht. Aber er kann es sich leisten, zwei zu kaufen."

2000 - Mac OS X strahlt

"Das nächste großartige PC-Betriebssystem" versprach Steve Jobs vor acht Jahren in San Francisco. "Killer-Grafik" sollte es haben und fürs "Internet gestaltet" sein. In der Tat war das damals vorgestellte Apple-Betriebssystem Mac OS X ein beachtlicher Entwicklungssprung im Vergleich zu den Vorgängern.

Äußerlich macht OS X mit der Aqua-Oberfläche viel her: Lichteffekte, Schlagschatten, abtauchende Fenster beeindruckten das Publikum auf der Macworld damals. Die Veränderungen an der Basis des Systems waren nicht so augenfällig, aber beachtlich: Open-Source-Komponenten, ein Unix-Unterbau, präemptives Multitasking.

Solche Worte nahm Jobs bei der Ankündigung natürlich nicht in den Mund. Er zeigte dem Publikum lieber, wie er ein Composing einfach aus der Bildbearbeitung ins E-Mail-Programm zieht und das Betriebssystem automatisch die Dateien in ein PDF umrechnet: "Super-easy, ist es nicht verblüffend?"

2003 - der Apple-Browser kommt

Der Wandel ist beachtlich: Sechs Jahre, nachdem Apple Microsofts Internet Explorer zum Standard-Browser auf Macs erklärte, kündigt Lautsprecher Steve Jobs mit großen Worten einen Apple-Browser an: Safari. "Süß" sei die Anwendung, außerdem "der Turbo-Browser für OS X" und überhaupt: "Der schnellste Browser auf dem Mac".

Und dann führte Jobs noch genüsslich vor, wie viel schneller Safari laut Benchmarking-Software sein soll - 40 bis 300 Prozent fixer als Microsofts Internet Explorer. Dann setzt sich Jobs an einen Mac und zeigt den Zuhörern die sichtbaren Innovationen dieses Browsers: eigene Google-Suchleiste, Lesezeichen verwalten à la Playlists in iTunes und so weiter. Das läuft alle sehr schnell und flüssig, auch als Jobs mit einer Flash-basierten Webanwendung (2003!) Musik mischt.

Die interessanten technischen Neuerungen erwähnt der Apple-Boss nicht im Detail: Safaris Rendering-Engine basiert auf KHTML - der Grundlage des Linux-Browsers Konqueror. Aufmüpfig erlaubt sich Jobs dann noch einen Seitenhieb auf Microsoft: Apple-Programmierer hätten einen Menge KHTML-Code weiterentwickelt. Diese Verbesserungen würde man in das Open-Source-Projekt einbringen. Jobs: "Einige Leute haben ein Problem mit Open Source Software, wir finden sie großartig".

Fünf Jahre später ist Safari heute nach dem Internet Explorer und Firefox die Nummer drei auf dem Browser-Markt.

2005 - Der kleinste Mac, der winzigste iPod

Minimalismus war es, der das Jahr 2005 bestimmte. Mit dem mini stellte Steve Jobs nicht nur den kleinsten, sondern auch den billigsten Mac vor. Für 489 Euro kam der bis heute nur in Details veränderte Rechner in den Handel, aus Apples Sicht ein Kampfpreis.

Wer diesen Unter-500-Euro-Mac kaufte, musste allerdings nicht nur Geld, sondern auch sein eigenes Zubehör mitbringen. Anders als beim iMac war nämlich kein Bildschirm im Paket enthalten - was verschmerzbar war. Dass allerdings nicht einmal Maus und Tastatur mitgeliefert wurden, verwunderte schon. Steve Jobs versuchte, seinen Zuschauern die Sparmaßnahme schmackhaft zu machen, indem er sie mit dem kryptischen Kürzel BYODKM ("bring your own display, keyboard") ankündigte. Jobs: "Wir liefern den Computer, du lieferst den Rest."

Der erhoffte Kassenschlager wurde aus dem Mac mini trotzdem nicht, eher ein Liebhaber-Gerät, dass sich einer treuen Fangemeinde erfreut. Verschiedene Hersteller versuchten, das Konzept zu kopieren, scheiterten aber immer aufs Neue, waren meist zu teuer, oft schlechter ausgestattet.

Das eigentliche Highlight, das "One more thing", der Keynote war aber der iPod shuffle. Und auch beim Billig-iPod machte Jobs den Sparkurs zum sexy Ausstattungsmerkmal. Der reduzierte Funktionsumfang wurde zur "einfachen Bedienung", das fehlende Display mit der meistgenutzten iPod-Anwendung, dem Zufallsmodus (shuffle) begründet. Ein Hit wurde der shuffle trotzdem. Endlich konnte man sich zu einem Preis von deutlich unter hundert Euro die prestigeträchtigen weißen Apple-Ohrhörer einstöpseln - und nebenbei den Marktanteil des Apple-Players stützen. 

2006 - Intel kommt zu früh

Das künftige Macs mit Intel-Chips kommen würden, hatte Jobs schon im Sommer 2005 angekündigt, dass es aber schon im Januar 2006 soweit sein würde, damit hatte niemand gerechnet. Dass der Umstieg von IBMs Power-PC-Prozessoren auf die Intel-Architektur so schnell erledigt war, verdankte Apple vor allem Intels tatkräftiger Unterstützung - die Steve Jobs auf besondere Weise feierte.

Eingehüllt von Trockeneisnebel und gekleidet in einen Reinraumanzug betrat Intel-Chef Paul Otellini die Bühne. Sein Outfit war eine Reverenz an einen legendäre Apple-Werbespot, in dem die Überlegenheit des Power PC über Intel-CPUs gelobt wurde. Jetzt aber verkündeten die beiden Konzernlenker mit einem Dauergrinsen im Gesicht, dass sie viel schneller als geplant fertig geworden seien, die ersten Intel Macs nun bereit wären. Bis das gesamte Angebot durch Intel-Macs ersetzt werden konnte, dauerte es dann aber doch noch einige Monate.

2007 - Das Jahr des iPhone

Bei seiner vorletzten Macworld-Eröffnungsrede gab sich Steve Jobs gewohnt selbstbewusst. "Wir werden das Telefon neu erfinden", tönte der Apple-Chef und präsentierte dem staunenden und johlenden Publikum den ersten iPod, mit dem man auch telefonieren kann, das iPhone. Die Skepsis der Presse allerdings war anfangs noch groß. Schließlich müsse sich Apple erst einmal einen Platz im Mobilfunkmarkt erarbeiten, gegen etablierte Unternehmen wie RIM und Nokia ankämpfen. Kritisiert wurden auch die vielen Dinge, die dem Apple-Handy fehlten: UMTS, eine echte Tastatur, MMS und noch einiges mehr.

Jobs Ankündigung, man müsse einfach die vielen Knöpfe, die Handys normalerweise pflastern, loswerden und durch einen großen Bildschirm ersetzen, wurde vom Publikum zunächst mit Skepsis aufgenommen. Erst als Jobs verkündete, auf dem iPhone werde Apples Betriebssystem Mac OS X laufen, brach Applaus los.

Der Rest ist schon fast Geschichte. Schon Tage vor dem Verkaufsstart bildeten sich in den USA lange Schlangen Kaufwilliger vor den Läden, das iPhone wurde ein Erfolg und dient seither etlichen Touchscreen-Handys als Vorlage und Maßstab.

2008 - Das dünnste Notebook der Welt?

Etwas arg überschwänglich kündigte Steve Jobs im Januar 2008 das Macbook Air als das dünnste Notebook der Welt an. Eine Aussage, die sofort von Kritikern und Konkurrenten zerpflückt wurde. Schließlich gab es schon damals Notebooks, die durchaus ebenso dünn oder gar dünner waren, wenn auch nicht überall. Beeindrucken konnte Jobs trotzdem. Vor allem, als er das gerade angekündigte Flunder-Notebook aus einem Hauspost-Umschlag zog. Eine findige Firma griff die Idee auf und bietet seither eine Macbook-Tasche im Design eben jenes Umschlags an.

Reich wird dieser Hersteller damit aber wohl nicht werden. Der hohe Einstiegspreis des Macbook Air, derzeit 1699 Euro, und dessen geringe Leistung haben bisher verhindert, dass es zum Megaseller wird.

Dass die zeitgleich von Jobs vorgestellte zweite Version der TV-Box Apple TV hierzulande kein Hit wird, verhindert Apple dagegen selbst sehr effektiv. Zum einen dadurch, dass es über das an die Box angebundene iTunes-Filmangebot bis heute keine deutschen HD-Inhalte zu sehen gibt. Zum anderen, indem der Preis der Box hierzulande weit über dem in den USA liegt. Kostet das Einstiegsmodell im US-Apple Store 229 Dollar (162 Euro), muss man dafür in Apples deutschem Online-Laden 299 Euro berappen.